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Wahlkampf in der Mediendemokratie

Online-Kampagnen und TV-Duelle

Forschungsgruppe Deutschland - Juli 2002


Wahlkämpfe sollen mobilisieren. Daher ist den Parteien daran gelegen, politische Sachverhalte zu dramatisieren, um dann öffentliche Zustimmung für eigene Positionen und Kandidaten zu gewinnen. Die erfolgreiche Inszenierung und Vermittlung von Politik ist heute von besonderer Wichtigkeit.


Die Medienkampagne als zentrales Strategieelement

Neben traditionellen Instrumenten der Wahlkampfkommunikation wie Plakataktionen, Informationsstände und Kundgebungen zählt deshalb die Medienkampagne heute zu den zentralen Strategieelementen. Neben den Wahlkampfstäben innerhalb der Parteizentralen spielen vermehrt auch externe Teams und Agenturen eine bedeutende Rolle. Wahlkampfmanager funktionieren zunehmend als Bindeglieder zwischen den Parteizentralen und externen Dienstleistern. Spin Doctors und "Strippenzieher" konzipieren - oft auf der Basis demoskopischer Umfrageergebnisse - die Kampagnen. Spin Doctors im klassischen Sinn sind Kandidatenberater, die versuchen, einem aktuellen Wahlkampfereignis im Gespräch mit anwesenden Medienvertretern einen möglichst vorteilhaften Interpretationsrahmen zu verleihen, um der anschließenden Berichterstattung den richtigen "spin", also Drall, zu geben.

Um die Risiken uneinheitlicher Politikdarstellung zu minimieren und alle Maßnahmen entsprechend zu koordinieren, muss die Kampagne zentral geleitet werden - in einer Zeit, in der vermehrt mit Externen kooperiert wird, eine schwierige Aufgabe für die Kampagnenmanager.
Unübersehbar hat sich der Wahlkampfstil verändert. Das Wahlkampfmanagement der Parteien bedient sich zunehmend und gezielt moderner, professioneller Kommunikationsstrategien. Zu den wichtigsten strategischen Elementen moderner Wahlkampfkommunikation zählen sog. "Pseudoereignisse", die mediengerecht inszeniert und geschickt terminiert werden. Auch Routinehandlungen werden möglichst günstig in Szene gesetzt. Personalisierung und polarisierende Schlagworte sollen Dramatik erzeugen, die die massenmediale Aufmerksamkeit auf sich zieht.

Neue Medien - neue Möglichkeiten

Neu erfunden haben die Kampagnenmacher die Wahlkampf-Techniken nicht. Personalisierung, Visualisierung, Emotionalisierung sowie Ereignis- und Themenmanagement sind höchstens neue Schlagworte für althergebrachte Methoden. Neu ist aber deren Umsetzung mit neuen Technologien, insbesondere der elektronischen Datenverarbeitung und Kommunikation. Die Parteien binden die neuen Medien immer stärker in den Wahlkampf mit ein. Das Internet bietet gerade im Wahlkampf effiziente Einsatzmöglichkeiten - in erster Linie als innerparteilicher Kommunikationskanal. Nach außen können sich Parteien und Kandidaten über ihre eigenen Websites ungefiltert präsentieren - der oftmals unkalkulierbare Weg über die klassischen Massenmedien kann so umgangen werden. Neben der gezielten Wähleransprache durch personalisierte Kommunikationsdienste, dem sogenannten "Voter Targeting", setzen die Wahlkampfteams auch vermehrt auf die digitale Spendenabgabe. Das "Online-Fundraising" technisch angelehnt an die Mechanismen des Online-Shopping, brachte zumindest im letzten US-Präsidentschaftswahlkampf sehr gute Ergebnisse. Nicht zuletzt versuchen die Parteien über interaktive Spielangebote, "Negative Campaigning"-Portalen und Onlineversammlungen Aufmerksamkeit zu erregen.

Trotzdem: Der große Durchbruch in der Wahlkampf-Kommunikation ist dem Internet trotz wachsender Bedeutung noch nicht zu bescheinigen. Das hängt nicht nur damit zusammen, dass das Internet auf die Aktivität, also das Interesse der Nutzer angewiesen ist, sondern auch damit, dass noch lange nicht alle Wähler über einen einfachen und kostengünstigen Zugang zum Netz verfügen.

Marktführer in der Meinungsbildung: das Fernsehen

Der größte Einfluss auf die öffentliche Meinung im Vorfeld von Wahlen wird von der Wirkungsforschung wie von Parteistrategen dem Fernsehen zugeschrieben. Dies steht einerseits in engem Zusammenhang mit seiner großen Reichweite und relativ hohen Glaubwürdigkeit bei einem großen Teil der Bevölkerung, aber auch mit einem veränderten Wahlverhalten: Bei sinkenden Stammwähleranteilen hängt der Wahlerfolg einer Partei zunehmend davon ab, ob sie genügend Stimmen von Wechselwählern und Unentschlossenen gewinnen kann, da sich in diesen Wählergruppen kurzfristige Wahlkampfeffekte erwarten und diese Gruppen sich gleichzeitig noch am ehesten durch die Medienberichterstattung beeinflussen lassen.

Den größten Einfluss übt das Fernsehen in Wahlkampfzeiten hinsichtlich des Images der Kandidaten aus. Analysen zufolge werden sowohl die Vorstellungen von der Sachkompetenz als auch des Charakters eines Bewerbers von der aktuellen Berichterstattung geprägt. Das über die Medienpräsenz vermittelte Image der Spitzenkandidaten erhält bei abnehmender Parteibindung und steigendem Wechselwähleranteil ein immer größeres Gewicht für die Wahlentscheidung. Damit steht der moderne Politiker in der Mediendemokratie vor einer neuen Herausforderung: Sachverstand allein reicht nicht mehr aus. Ohne kommunikatives Know-how und "Tele-Charisma" ist der Weg an die Spitze kaum möglich.

Kandidaten im Duell

Gefürchtet sind deshalb Konfrontationen der Spitzenkandidaten, in deren Verlauf im direkten Vergleich klar zum Ausdruck kommt, wer die Kunst der medialen Darstellung seiner Person und der dahinter stehenden Partei(politik) besser beherrscht. In den Vereinigten Staaten verbal schon seit 1858 und im Fernsehen seit 1960 üblich, betritt Deutschland hier 2002 Neuland. Angefangen mit dem Print-Duell, für das "Bild am Sonntag" den Zuschlag erhielt. Damit die Befürchtung der Kandidatenberater, nichts unbedacht dem Zufall zu überlassen, nicht ausarte, sprach ein Regierungssprecher im Vorfeld des Duells davon, hierbei eine "Redigierschlacht der Sekundanten" vermeiden zu wollen.

Die wichtigste Informationsquelle über Spitzenkandidaten ist dennoch das Fernsehen. Mit Spannung werden deshalb die beiden zum wichtigsten Wahl-Event stilisierten TV-Duelle zwischen Bundeskanzler Schröder und Ministerpräsident Stoiber erwartet. Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland treffen Kanzlerkandidaten in einem so genannten Fernseh-Duell nach amerikanischem Vorbild aufeinander. Das Schlagwort "Amerikanisierung" trifft in diesem Fall allerdings nicht den Nerv, sind doch Politiker in Deutschland im Vergleich zu den USA viel häufiger und quasi permanent im Fernsehen präsent. Dennoch ist dies der erste deutsche "Feldversuch für Politiker, Programmmacher und Professoren", in dem es es nach Wunsch der Kandidatenberater gleichwohl um "Kompetenz und Kommunikationsfähigkeit" gehen soll. Termine (RTL und Sat 1 übertragen den ersten Teil am 25. August und ARD und ZDF den zweiten Teil am 8. September) und Modalitäten der Aufeinandertreffen wurden von Vertretern aus Politik und Medien in einer mehrstündigen Sitzung detailliert ausgehandelt. Denn: "Nichts ist zu banal, als dass es nicht zum Zankapfel reifen könnte". So einigte man sich u.a. darauf, dass die Kandidaten die Kür im Stehen und nicht im Sitzen absolvieren werden. Der Vorabstreit über das Ob, Wann und Wie der Auseinandersetzung war dabei schon Bestandteil der medialen Inszenierung: teils Imponiergehabe, teils aber auch PR-Maßnahme, denn das Publikumsinteresse will geweckt und wach gehalten werden.
Gegen die Vermutung, es handle sich bei der TV-Konfrontation nur um einen Schaukampf, spricht der Fakt, dass sie strengen Regeln unterworfen ist. Eine Wirkung wird der hochgradig standardisierte Event gleichwohl erzielen, auch wenn sich die Experten über das Ausmaß der Wirkung nicht einig sind: Die Einschätzungen fließen von "sehr wahlentscheidend" über "ein bisschen beeinflussend" hin zu "Stimmungen verstärkend oder abschwächend". Antizipiert wird von Beobachtern allenfalls der sogenannte "Bush-Effekt", d.h. nur der Herausforderer kann in einer solchen Veranstaltung punkten - vom Amtsinhaber und Medienmann Schröder erwartet man die gewohnte TV-Kompetenz.

Da die Parteien immer mehr dazu übergehen, ihre Wahlkampfvorbereitungen schon Jahre vor der eigentlichen Wahl zu treffen, wird von dem Phänomen des "permanent campaigning" gesprochen. Dies mag für Politiker und Parteien gelten, nicht jedoch aus der Perspektive der Wähler: sie beurteilen die Politik zwar auch zwischen den Wahlen, aber der Wahlkampf findet für sie immer noch in den Wochen statt, die ihrer Wahlentscheidung direkt vorausgehen.

Nichts ändern wird sich auch in Zukunft daran, dass die richtige Kombination aus inhaltlicher Qualität und professioneller Darstellung das beste Konzept ist, um Wahlkämpfe erfolgreich zu führen.


Literatur

Bieber, Christoph: Online-Wahlkampf 2002. Formate und Inhalte in der digitalen Politikarena, in: Media Perspektiven 6/2002, S. 277-283

Brettschneider, Frank: Kanzlerkandidaten im Fernsehen. Häufigkeit - Tendenz - Schwerpunkte, in: Media Perspektiven 6/2002, S. 263-276

Gallus, Alexander: Wahlkämpfe und Kampagnen - aktuelle Trends und historische Bestandsaufnahme, in: Zeitschrift für Politik 2/2002, S. 232-237

Ders.: Demoskopie in Zeiten des Wahlkampfs. "Wirkliche Macht" oder "Faktor ohne politische Bedeutung"?, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 15-16/2002, S. 29-36

Glaab, Manuela/Andreas Kießling: Legitimation und Partizipation, in: Karl-Rudolf Korte/Werner Weidenfeld (Hrsg.): Deutschland-TrendBuch. Fakten und Orientierungen, Opladen 2001, S. 571-611

Hofmann, Gerhard: Das große Zittern. Vor den Fernsehduellen Schröder-Stoiber, in: Die Neue Gesellschaft - Frankfurter Hefte 7-8/2002, S. 427-432

Holtz-Bacha, Christina: Massenmedien und Wahlen: Die Professionalisierung der Kampagnen, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 15-16/2002, S. 23-28

Korte, Karl-Rudolf: Wahlen in der Bundesrepublik Deutschland, 3. überarbeitete und aktualisierte Auflage, Bonn 2001

Ders./Gerhard Hirscher (Hrsg.): Darstellungspolitik oder Entscheidungspolitik? Über den Wandel von Politikstilen in westlichen Demokratien, München 2000

Meyer, Thomas: Inszenierte Politik und politische Rationalität, in: Karl-Rudolf Korte/Werner Weidenfeld (Hrsg.): Deutschland-TrendBuch. Fakten und Orientierungen, Opladen 2001, S. 547-570

Die Neue Gesellschaft - Frankfurter Hefte 7-8/2002: Schwerpunktheft Wahlkämpfe

Schroeder, Alan: Presidential Debates. Forty Years of High Risk TV, New York 2000


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  W e b d o s s i e r

Bundestagswahl 2002

1. Interview

2. Wahlsystem

3. Trends des Wählerverhaltens

4. Wahlkampf in der Mediendemokratie

5. Politikstile der Kanzlerkandidaten

6. Blickpunkte

7. Links
 
           
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Aktualisiert am: 05.12.2002   Impressum | Design by [meteme.de]   Seite drucken | Seitenanfang