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N e w s & E v e n t s Politik in MediendemokratienMünchen - 15.11.2001 - Forschungsgruppe Deutschland Nie waren Medien und Politik derart voneinander abhängig wie heute. Welche Bedeutung hat die mediale Inszenierung von Politik für das politische Handeln? Findet durch Mediatisierung, Amerikanisierung und Personalisierung eine Substanzverschiebung der Politik statt? Wie werden Medien und Politik das Wahljahr 2002 gestalten? Diese Kernfragen waren Gegenstand des Kolloquiums "Darstellung und Entscheidung in der Mediendemokratie", das CAP-Direktor Professor Werner Weidenfeld Anfang November in Berlin moderierte. Das CAP widmet sich mit der Reihe "Geist und Zeit" in Zusammenarbeit mit Philip Morris Deutschland regelmäßig Grundfragen der politischen Kultur.
Der PR-Profi Moritz Hunzinger zeichnete den Weg einer handwerklich gelungenen Inszenierung von Sympathie durch Kommunikation und Aktionen nach. Laut Dagmar Wiebusch, Leiterin der Berliner Agentur ECC Public Affairs, sind die Massenmedien zur zentralen Instanz von Herrschaftslegitimation und politischer Intervention geworden. Damit habe auch die symbolische Dimension des Politischen enorm an Bedeutung gewonnen: Mediatisierte Politik bedeute einen Visualisierungszwang und verlange von Politikern, fernsehtauglich zu sein. Zugleich könne Inszenierung aber auch zur Reduktion von Komplexität beitragen; so könnten politische Inhalte besser vermittelt werden. Eine zeitverzögerte Entwicklung des deutschen Wahlkampfmanagements gegenüber dem amerikanischen diagnostizierte der Innsbrucker Politikwissenschaftler Fritz Plasser: Während in den USA bereits von inszenierter Fernsehpolitik zu marketingorientierter Zielgruppenpolitik übergegangen worden sei, befinde sich die strategische Kommunikationskultur in Deutschland noch auf dem Höhepunkt der Image- und Darstellungspolitik. Peter Radunski, Wahlkampfexperte und ehemaliger Bundesgeschäftsführer der CDU, richtete den Fokus auf den Faktor Aufmerksamkeit, ohne den eine Wahrnehmung politischer Inhalte nicht erfolge. Als Merkmale von Überzeugungsmacht machte Radunski das Setzen von Prioritäten, ständige Wiederholung der Botschaft, Emotionalisierung und Personalisierung aus. Inszenierung stoße erst an ihre Grenzen, wenn wie im Falle der Ereignisse vom 11. September die Realität so stark sei, dass Inszenierung sie nicht mehr überspielen könne. Die Herausforderungen der kommenden Bundestagswahlen beschrieben die Bundesgeschäftsführer von SPD und den Grünen, Matthias Machnig und Reinhard Bütikofer, sowie die Generalsekretäre von CDU, Laurenz Meyer, und FDP, Cornelia Pieper. Meyer sprach von der Notwendigkeit, Bilder und immer kürzere Statements zu allen Politikfeldern hervorzubringen und eine Zuspitzung der Botschaften zu leisten. Auch stehe die Politik vor der Schwierigkeit, dabei trotz allem glaubwürdig und verständlich zu bleiben. Vor dem Hintergrund dramatischer Veränderungen in der politischen Kommunikation stellte Machnig für den nächsten SPD-Bundestagswahlkampf eine systematische Verbindung von Person, Programm und Auftritt der Partei als Kernaufgabe heraus. Dagegen sah Bütikofer die Chance der Grünen gerade darin, im Wahlkampf bestimmte Themen auf die Agenda zu setzen, die trotz Relevanz für einige Bevölkerungsgruppen in den Medien momentan kaum diskutiert würden. Pieper erläuterte die "Strategie 18"der FDP, die weg von Lagerwahlkampf und Klientelpolitik hin zum selbständigen Auftreten einer Bürgerpartei führen soll. Um im Informationsüberangebot zu bestehen, bräuchten Parteien Alleinstellungsmerkmale, welche durch das Zusammenwirken von Profil, Personen, Programm und Positionen entstünden. Der Bischof der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg, Wolfgang Huber, wies darauf hin, dass das Streben nach Aufmerksamkeit heute weitgehend die Klärung von Sachverhalten ersetze. Dabei sei Aufmerksamkeit aber ethisch keine negative Kategorie, denn Aufmerksamkeit zähle neben Wahrheitspflicht zu den wichtigsten Brücken zwischen Medien und Moral. Auf der Suche nach den allgemeinen Trends im Verhältnis zwischen Medien und Politik beschrieb Verleger und Mitglied des britischen Oberhauses Lord George Weidenfeld den Zustand in Großbritannien und erweiterte die Perspektive mit einer Außensicht auf Deutschland. Bei einem parallelen Trend zur Amerikanisierung der politischen Kommunikation in beiden Ländern hob Lord Weidenfeld den Trend zu mehr direkter Kommunikation zwischen Regierungschef und Wählern über die Medien und über den Kopf der Legislative hinweg hervor, der nirgends so schnell und weitreichend eingesetzt habe wie in Großbritannien. Neben einer exponentiell ansteigenden Zahl von professionellen Politikberatern und Kommunikationsstrategen unter der Regierung Blair stelle das "Politainment"als inzwischen fast alltägliche Erscheinung den anhaltendsten Trend in der Beziehung zwischen Medien und Politik dar. Deutschlandspezifische Trends wollte Klaus von Dohnanyi, Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg a.D., nicht ausmachen, wohl aber spezifische Besonderheiten wie die große Vielfalt und Qualität der deutschen Regionalzeitungen. Die Chancen der Digitalisierung bestünden darin, dass Politik und Medien in einem aufgefächerten Programmangebot mehr Zeit zum gegenseitigen Austausch und Verstehen zur Verfügung erhielten. Richard Hilmer, Geschäftsführer von Infratest dimap, erläuterte die gestiegene Bereitschaft der Bürger zur Änderung von Parteipräferenzen, die Fragmentierung durch die sinkende Wahlbeteiligung einzelner sozialer Schichten und die Entkoppelung der Bürger aus dem von Politik und Medien gestalteten Kommunikationsprozess. Deutlich wurde dabei, dass Inszenierung oft durch die Realität einzelner Sachentscheidungen durchbrochen wird, manifestiert in wechselnden Zustimmungswerten in der Bevölkerung. Der Leiter des Feuilletons der "Welt", Eckhard Fuhr, bescheinigte der Regierung Schröder eine unvergleichlich konsequente und professionelle Nutzung der Instrumente der Mediendemokratie, in deren Folge er einen Substanzgewinn des Wahrheitsgehaltes von politischen Ritualen konstatierte. Nicht Oberflächlichkeit, Inhaltsleere und Beliebigkeit seien die Kennzeichen der veränderten Parteien- und Medienlandschaft, sondern mediale Vielfalt und Ernsthaftigkeit, die nicht neu sei und nicht erst seit den Terroranschlägen eine vermeintliche Spaßgesellschaft abgelöst habe. In der Diskussion wurden die Dimensionen der wechselseitigen Beachtung und Verachtung von Politik, Medien und Wirtschaft aufgezeigt und eine mögliche Versöhnung von Wort, Bild und Ton durch das Internet antizipiert. Ob Politik und Medien eine gemeinsame verständliche Sprache finden, die Transparenz und Vertrauen möglich macht, ist eine Schlüsselfrage, die auch in Zukunft drängend bleibt. Downloads
LinkForschungsgruppe Deutschland: Geist und Zeit AnsprechpartnerDaniel von Hoyer Tania Bossi |