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N e w s  &  E v e n t s

Führung & Vertrauen in der Politik

München - November 2000 - Forschungsgruppe Deutschland


Politik braucht das Vertrauen der Bürger, wenn sie ihre gesellschaftlichen Gestaltungsaufgaben wahrnehmen will. Aber die zuversichtliche Erwartung, dass die politischen Repräsentanten und Institutionen sorgsam mit diesem wichtigen Betriebskapitel umgehen, ist in den letzten Jahren oft enttäuscht worden. Die missbräuchliche Verwendung von Vertrauen durch die Politik führt zu der Frage nach der Maßbestimmung: Wie viel Vertrauen sollte der Bürger in die politische Führung und die politischen Institutionen haben und wie viel kritische Distanz sollte er sich bewahren? Wo liegen die neuralgischen Punkte im Beziehungsgeflecht zwischen Bürger und politischer Führung? Diskutiert wurde dieser über den tagespolitischen Blickwinkel hinausgehende Fragenkomplex während des Kolloquiums "Führung & Ver-trauen in der Politik" am 17. und 18. Oktober 2000 im Ritz-Carlton Schlosshotel in Berlin. Das Kolloquium war die zweite Tagung der Reihe Geist & Zeit, die das CAP in Zusammenarbeit mit der Philip Morris GmbH Deutschland durchführt, um tiefgreifende Diskussionsprozesse zwischen Vertretern aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Medien zu gesellschaftspolitischen Themen zu befördern.

Ernst-Wolfgang Böckenförde, ehemals Richter am Bundesverfassungsgericht, setzte mit seinem Bericht über den Stand der Debatte zum Thema Eigenverantwortung und staatliche Regulierung einen ersten Impuls und leistete damit gleichzeitig einen gelungenen Brückenschlag vom letztjährigen zum aktuellen Thema. Mit ihren Beiträgen zu den Bedingungen und Grenzen des Vertrauens in die Politik führten Wolfgang Nowak, Leiter der Abteilung politische Analysen und Grundsatzfragen im Bundeskanzleramt, und der ehemalige Bundesverfassungsgerichtspräsident Ernst Benda im ersten Teil der Veranstaltung in das Thema ein. Demokratie, so Benda, ist die Staatsform des Misstrauens. Daher kämen in Demokratien alle Verfehlungen der politischen Führung ans Tageslicht, wenn auch oft nur scheibchenweise und nach langer Zeit. Deshalb plädierte er für eine Umwandlung des Mottos "Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser" in "Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser". Nowak ordnete der politischen Führung eine Kompassfunktion für die Gesellschaft zu. Diese Funktion sei allerdings angesichts der permanenten, temporeichen Gegenwart, in der Politiker leben, schwer zu erfüllen. Ob es sich bei den Glaubwürdigkeitsverlusten der politischen Führung um eine Systemkrise oder lediglich um ein konjunkturelles Zwischentief handelt, war Gegenstand der Referate von Friedbert Pflüger, Vorsitzender des Bundestagsausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union, Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung und Benjamin Barber, Direktor des Walt Whitman Center for the Culture and Politics of Democracy an der Rutgers University. In Richtung Systemkrise zielte dabei die Äußerung Pflügers, die politische "Lüge" sei "salonfähig" geworden. Krüger wollte dagegen keine Krise des gesellschaftlichen Systems erkennen und betonte statt dessen die Rolle des Selbstver-trauens der kreativen Bürger. Der amerikanische Demokratieforscher Barber verschob den Fokus der Betrachtung ebenfalls von der politischen Führung auf die Bürger, als er das Thema des Kolloquiums zuspitzte in "Bürger und Vertrauen in der Demokratie". Die Qualität einer Demokratie hänge maßgeblich von der Ausprägung einer Bürgergesellschaft ab. Den politischen Parteien wurde im Spannungsfeld Vertrauen und politische Führung eine herausragende Rolle eingeräumt. Sie sind es, die am stärksten von den Affären der letzten Zeit betroffen sind. Ihnen wird in aktuellen Umfragen im Vergleich öffentlicher Einrichtungen und Institutionen das geringste Vertrauen von den Bürgern entgegengebracht. Deshalb stellten sich Vertreter der Parteien im dritten Teil des Kolloquiums dem Thema und präsentierten Konzepte und Strategien, die einen nachhaltigen Weg aus der Vertrauenskrise versprechen. Die Statements der Generalsekretäre von SPD, CDU, FDP sowie von Volker Beck, rechtspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, lösten vor laufenden Fernsehkameras eine lebhafte Diskussion über die Wege der Parteien aus der Krise aus.

Alle vier waren sich einig, dass Vertrauen in der Beziehung zwischen Bürger und Politik die wichtigste Kategorie darstellt. Müntefering näherte sich dem Thema als Marketingstratege. Er stellte seiner Partei die Aufgabe, mit den Glaubwürdigkeitseinbußen offensiv umzugehen, um schließlich zum Markenzeichen für alles Gute im Land zu werden. Mit seinem Konzept der "gläsernen Partei" verknüpfte Polenz die Vorstellung, politische Führung müsse als orientierungsgebender Lotsendienst verstanden werden. Die Parteien sollten sich in ihrem Wirken auf Kernkompetenzen beschränken. Als Mittel, die "Verkastung" der Politik aufzubrechen, forderte Westerwelle eine umfassendere Entmachtung der Parteien. Seiteneinsteiger sollten bessere Möglichkeiten bekommen, sich in politischen Parteien zu engagieren. Als ein erster Schritt müsse - so Westerwelle - der Einfluss der Parteien in der Staatswirtschaft eingeschränkt werden. Zudem setzte er auf die Einführung von mehr Elementen der direkten Demokratie. Beck forderte zwar einerseits mehr Transparenz bei der Parteienfinanzierung, sah aber in der Offenlegung auch die Gefahr einer Verschleierungstaktik. Er unterstrich, dass man die wahren Absichten der Politiker letztlich nur an ihrem Handeln messen und bewerten sollte. Auch wenn die Teilnehmer der Kolloquiums sich nicht auf ein geeig-netes Instrumentarium zur nachhaltigen Wiederherstellung des Vertrauen der Bürger in die Politik einigen konnten, so wurde doch die Notwendigkeit betont, die brüchig gewordene Vertrauensbasis wieder stabilisieren zu müssen. Unabdingbare Voraussetzung dafür sei, dass die Parteien den Unmut der Bürger Ernst nehmen müssen, wenn sie ihr Vertrauen wieder gewinnen wollen. Einen neuen Vertrauensvorschuss wird die Politik in nächster Zukunft jedenfalls nicht bekommen.


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Forschungsgruppe Deutschland: Geist und Zeit


Ansprechpartner

Daniel von Hoyer
E-Mail: d.vonhoyer@lrz.uni-muenchen.de

Tania Bossi
E-Mail: tania.bossi@gmx.de


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Aktualisiert am: 05.12.2002   Impressum | Design by [meteme.de]   Seite drucken | Seitenanfang