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P o s i t i o n

David gegen Goliath: Kommunalwahlen in Belarus

Minsker Memorandum für demokratische Kommunalwahlen

Minsk/ München, 25. Februar 2003

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Wahlen in Weißrussland.


Am 2. März 2003 finden in Belarus Kommunalwahlen statt. Diese Wahlen der lokalen Räte werden aber keine freien und fairen Wahlen sein. Schon im Vorfeld beklagt die Opposition die Repressionen und Beschränkungen durch die staatliche Exekutive. Junge Oppositionelle wurden am Valentinstag mit Plakaten "I love Belarus" in Minsk verhaftet, Oppositionspolitiker werden mit fadenscheinigen Argumenten von den Wahlen ausgeschlossen und die Herausgeber regionaler Zeitungen klagen über Druck seitens des Lukaschenko-Regimes. Fundamentale demokratische Grundsätze werden in Belarus nach wie vor nicht eingehalten, wie etwa die Standards der OSZE vom Kopenhagener Gipfel 1990, die Praktischen Leitlinien der OSZE für demokratische Wahlen vom November 2002 oder aber auch die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und die Europäische Menschenrechtskonvention. Bereits bei den Kommunalwahlen 1998, den Parlamentswahlen 2000 und den Präsidentschaftswahlen 2001 dokumentierten internationale und einheimische Wahlbeobachter, dass die Wahlen die demokratischen Standards der OSZE verletzt haben.

Trotz der ungerechten Rahmenbedingungen haben sich auch Vertreter des demokratischen Spektrums Belarus entschieden, bei den Kommunalwahlen zu kandidieren. Ihr Ziel ist es, das System durch Mitwirkung "von unten" zu demokratisieren. Als Jugendorganisation der "Vereinigten Bürgerpartei" beteiligt sich die "Belarussische Vereinigung Junger Politiker" am Wahlkampf und kandidiert für die örtlichen Räte. Im Rahmen eines gemeinsamen Projektes mit dem Centrum für angewandte Politikforschung (C·A·P) hat Belarussische Vereinigung Junger Politiker ein Memorandum für demokratische Kommunalwahlen formuliert.


Minsker Memorandum für demokratische Kommunalwahlen

Kommunalwahlen sind ein fundamentaler Bestandteil eines demokratischen Systems. Die Schaffung einer demokratischen, leistungsfähigen und transparenten Kommunalpolitik zählt zu den Herausforderungen der Transformation. Um das politische System zu legitimieren, Partizipation und Kontrolle auszuüben, politische Interessen zu artikulieren sowie politischen Nachwuchs zu rekrutieren, müssen die Wahlen demokratische Standards erfüllen. Dies ist bei den Belarussischen Kommunalwahlen am 2. März 2003 nicht der Fall. Zur Erfüllung demokratischer Minimalstandards fordern wir:

1. Die Reform der Wahlgesetzgebung: Die Wahlgesetzgebung muss dahingehend reformiert werden, dass die Mitglieder der Wahlkommissionen das gesamte politische Spektrum repräsentieren. Die Wahlgesetzgebung muss einen freien, fairen und gerechten Wahlkampf ermöglichen.
Nach der derzeitigen Gesetzgebung und Praxis werden die Vertreter der Wahlkommissionen von der Exekutive und der Legislative nominiert. Die Mitglieder der zentralen Wahlkommissionen werden zur Hälfte von Präsident Lukaschenko ernannt. In den Wahlbezirken werden sie ausschließlich von der Exekutive nominiert. Die Opposition ist in den Wahlkommissionen unterrepräsentiert, die Entscheidungen der Kommissionen wie die Zulassung von Kandidaten zu den Wahlen und die Auszählung der Stimmen sind weder demokratisch noch transparent.

2. Beschwerde- und Klagemöglichkeiten: Die Wahlgesetzgebung muss einheitliche rechtliche Beschwerde- und Klagemöglichkeiten enthalten, die als transparentes und faires Instrument für das gesamte politische Spektrum nutzbar sind.
Die derzeitigen rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten, Einspruch gegen die Entscheidungen der Wahlkommissionen zu erheben sind begrenzt. Gegen die Entscheidungen der zentralen Wahlkommission besteht keine einheitliche Klagemöglichkeit. Gelingt es dennoch Beschwerde einzulegen, fallen die rechtlichen Entscheidungen in der Regel zugunsten der Exekutive aus. Das Wahlverfahren wird solange von begrenzter Legitimation sein, wie die Opposition die Transparenz und Fairness der Klagemöglichkeiten kritisiert und die so getroffenen Entscheidungen in Frage stellt.

3. Erweiterung der Rechte der Kandidaten nach demokratischen Grundsätzen: Die formalen Voraussetzungen zur Zulassung der Kandidaten dürfen nicht mehr gezielt als restriktives Instrumentarium zur Ausschaltung der Opposition verwendet werden. Die Registrierung der Kandidaten muss nach demokratischen und transparenten Prinzipien erfolgen.
Die Registrierung der Kandidaten und die Überprüfung der Unterschriftenlisten zur Unterstützung von Kandidaten werden als Instrumente missbraucht, Kandidaten von den Wahlen auszuschließen. Jeder Kandidat benötigt für seine Kandidatur zwar lediglich 150 Unterschriften, doch die Überprüfung der Unterschriften öffnet zahlreiche Möglichkeiten für behördliche Willkür. Kandidaten der Opposition sehen sich oftmals mit dem Vorwurf konfrontiert, Unterschriften gefälscht zu haben und werden mit dieser oder ähnlichen Begründungen von den Wahlen ausgeschlossen. Auch die Vorgabe, dass Kandidaten ihr Einkommen deklarieren müssen, dient dem Ausschluss von Oppositionsvertretern.

4. Ein freier, gerechtet und demokratischer Wahlkampf: Die Kandidaten müssen die rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten haben, ihren Wahlkampf zu gestalten.
Gemäß der Wahlgesetzgebung darf der Wahlkampf ausschließlich aus staatlichen Mitteln finanziert werden. Den Kandidaten für die Kommunalwahlen stehen umgerechnet 40 Euro zur Verfügung. Private Unterstützung für eine Partei oder einen Kandidaten fließt in den staatlichen Fonds, durch den die Wahlen insgesamt finanziert werden. Wahlkampfmaterialien, die Amtsinhaber beleidigen oder diffamieren sind verboten. Durch die großen Ermessenspielräume, welche Materialien beleidigend oder diffamierend sind, wird der demokratische Wahlkampf erheblich eingeschränkt. Staatliche Willkür ist nicht auszuschließen. Durch diese Bestimmungen wird de facto die Freiheit der Rede und die freie Meinungsäußerung erheblich eingeschränkt, sie dienen der Verunsicherung der oppositionellen Wahlkampagnen.

5. Medienfreiheit: Pluralistische Medien und gerechter Zugang zu den Medien sind eine unabdingbare Voraussetzung für Demokratie.
Die Wahlgesetzgebung proklamiert einen gleichen Zugang zu den staatlichen Medien. Die Realität sieht oftmals anders aus. Die Vielzahl der Beschränkungen und Restriktionen behindern Kandidaten der Opposition und wirken sich zugunsten Lukaschenko-treuer Amtsinhaber aus. Die Medien, insbesondere die audiovisuellen Medien, leisten keine pluralistische Berichterstattung.

6. Unabhängige nationale und internationale Wahlbeobachtung: Die Wahlbeobachtung sollte von den Amtsinhabern unterstützt und nicht im Gegenteil behindert werden.
Nationale (durch Vertreter aller Kandidaten) und internationale Wahlbeobachtung (durch OSZE und Europarat) sind ein wichtiges Mittel zur Stärkung der Demokratie. Zwar sieht die Wahlgesetzgebung nationale und internationale Beobachter vor, doch wird deren Tätigkeit in der Gesetzgebung und Praxis durch restriktive Regelungen und wenig transparente Bestimmungen behindert.

7. Bürgernaher und problemorientierter Wahlkampf als Ausgangspunkt einer demokratischen Regionalpolitik: Der kommunale Wahlkampf muss lokale Probleme und Interessen identifizieren, Lösungsansätze vorschlagen und diese entsprechend in Programme umsetzen. Die Wählbarkeit ("passives Wahlrecht") sollte streng daran gebunden sein, dass die Kandidaten ihren Hauptwohnsitz tatsächlich im Wahlbezirk haben.
Das Arbeitskollektiv kann Kandidaten nominieren, die demnach in erster Linie den in Belarus überwiegend staatlichen Unternehmen verpflichtet sind. Mitarbeiter der Exekutive kandidieren mit Wahlprogrammen, die primär aus ihrem derzeitigen Tätigkeitsbereich stammen. So erscheinen diese wenig realistisch und diskreditieren letzten Endes demokratische Grundsätze, wenn beispielsweise eine Leiterin der kommunalen Sozialverwaltung die Verbesserung der staatlichen Sozialeinrichtungen fordert, für die sie derzeit bereits zuständig ist.

8. Neudefinition der in der Verfassung vorgesehenen Kompetenzen der kommunalen Exekutive und Legislative: Die Rechte der kommunalen Räte bei der Aufstellung und Kontrolle des Budgets müssen gestärkt werden. Dezentralisierung sollte als Instrument zur Stärkung der Demokratie von unten sowie zur effektiveren Wahrnehmung staatlicher Verantwortung begriffen werden. Dafür müssen der Finanzföderalismus und das Steuersystem reformiert werden und adäquate Ausgabenrichtlinien geschaffen werden.
Aus der Erblast der Sowjetunion ist Belarus als zentralistischer Staat hervorgegangen, der vom Amt des Präsidenten Alexander Lukaschenko dominiert wird. Die Leiter der Gebietsverwaltungen werden vom Präsidenten ernannt und der von der Verfassung vorgesehene Handlungsspielraum ist so stark begrenzt, dass auch die kommunale Ebene von der Autokratie des Präsident dominiert wird.


Links

OSCE/ ODIHR Belarus
(Monitorring der belarussischen Wahlgesetzgebung und Wahlbeobachtung)

Document of the Copenhagen Meeting of the Conference on the Human Dimension of the OSCE, Copenhagen 1990
Kopenhagener Dokument (OSZE Standards für demokratische Wahlen)

Zentrale Wahlkommission der Republik Belarus
(Verfassung, Wahlgesetzgebung etc. in russischer Sprache)

Vereinigte Bürgerpartei
(Belarussische Vereinigung Junger Politiker)

Charta 97
(Belarussische Bürgerrechtsorganisation)


Ansprechpartnerin

Dr. Iris Kempe
E-Mail: iris.kempe@lrz.uni-muenchen.de


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D o w n l o a d

Minsker Memorandum
(russische Version, PDF)
 
           
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Aktualisiert am: 28.04.2003   Impressum | Design by [meteme.de]   Seite drucken | Seitenanfang