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Europäische Zeitung, Januar 2003

Wer hat Angst vorm "schwarzen Mann"?

Von Dr. Claus Giering


Ein Gespenst geht um in den Hochburgen der Europapolitik. Einige der großen Mitgliedstaaten haben sich für die Ernennung eines Präsidenten des Europäischen Rates auf Zeit ausgesprochen. Dieser so genannte "ABC-Vorschlag" - nach den Hauptprotagonisten Aznar, Blair und Chirac - soll Europa mit einer vernehmlichen Stimme und einem vertrauten Gesicht ausstatten. Im Europäischen Rat selbst könnte er viele Aufgaben des derzeit halbjährlich wechselnden Vorsitzes übernehmen. Und als ehemaliger Staats- oder Regierungschef würde ein solcher Präsident auf internationaler Ebene mit den Bushs und Putins, den Scharons und Arafats dieser Welt auf selber Augenhöhe stehen. Anstelle des wenig Respekt einflössenden Kettenrasselns vieler, soll also ein politisches Schwergewicht für Kontinuität und Sichtbarkeit innerhalb wie außerhalb der EU sorgen.

Für die Vertreter vor allem kleinerer Mitgliedstaaten sowie der Gemeinschaftsinstitutionen stellt die Vorstellung eines weiteren Präsidenten für Europa allerdings eher ein Schreckbild dar. Als Parallelkonstrukt würde er in Konkurrenz zum Präsidenten der Europäischen Kommission agieren und diesen möglicherweise in den Schatten stellen. Damit würden einseitig die zwischenstaatlichen Elemente der EU gestärkt und ihre Abgrenzung gegenüber der Gemeinschaftsmethode auf Dauer verstetigt.

Besonders die Kommission ist unter Zugzwang geraten. Um diesem Spuk ein Ende zu bereiten, ist sie in die Offensive gegangen. Sie hat Anfang Dezember 2002 Vorschläge präsentiert, die letztlich darauf hinauslaufen, ihre eigene Rolle deutlich zu stärken. So will sie unter anderem mehr Verantwortung und Rechte im Bereich der Außen-, Sicherheits- und Wirtschaftspolitik an sich ziehen, um als Hüterin der Verträge die Interessen aller - der neuen wie der alten - Mitgliedstaaten auf kohärentere und damit auch effektivere Art und Weise als bisher vertreten zu können. Im Gegenzug soll dem (Europäischen) Rat das Recht übertragen werden, die Kommission aufzulösen. Mit diesem Vorschlag würde allerdings das Europäische Parlament in seinen schwer erkämpften Kontrollrechten zurückgesetzt, da es bisher allein über die Möglichkeit eines Misstrauensantrags gegenüber der Kommission verfügt.

Um sowohl die Kommission als auch das Parlament zu stärken, sollte daher ein anderer Ansatzpunkt gewählt werden, nämlich die Wahl des Kommissionspräsidenten durch das Europäische Parlament. Die europäischen Parteienzusammenschlüsse aller Couleur sollten mit einem Spitzenkandidaten in den EP-Wahlkampf ziehen, der zugleich der Anwärter für das Amt des Kommissionspräsidenten wäre. Dies würde die Entwicklung europäischer Parteien stärken, die Erarbeitung gemeinsamer Wahlprogramme erfordern und die Europapolitik personalisieren, wodurch sie nicht zuletzt in der Medienöffentlichkeit leichter zu vermitteln wäre. Der Kommissionspräsident müsste mit weit gehenden Befugnissen bei der Zusammenstellung seiner Kommissare ausgestattet sein und nur dem Parlament käme das Recht auf eine mögliche Abwahl der Kommission zu. Damit wäre ein klares Signal für mehr Transparenz und Demokratie auf europäischer Ebene gesetzt.

Doch wird es keine einseitige Stärkung von Kommission und Parlament geben können. Dies widerspricht der bisherigen Entwicklungslogik der Integration, die nicht zuletzt deshalb so erfolgreich war, da immer ein Ausgleich zwischen den gemeinschaftlichen und zwischenstaatlichen Wesenszügen der Union gefunden wurde. Zudem erscheint es angesichts der zerklüfteten Interessenlage der Mitgliedstaaten unrealistisch, von einer Vergemeinschaftung weiterer Politikfelder auszugehen. Vielmehr deutet einiges darauf hin, dass die Staats- und Regierungschefs ihre eigene Rolle zu Lasten der Kommission ausbauen könnten. Diese Entwicklung würde sich noch verdichten, wenn eine Art "Doppelhut-Lösung" realisiert wird, nach der eine Person zugleich die Präsidentschaft der Kommission sowie des Europäischen Rates übernehmen würde. Im Zweifel würden sich deren Loyalität und Interessen wohl eher am Gremium der Staats- und Regierungschefs ausrichten - die Kommission könnte zur verlängerten Werkbank dieser neuen Machtkonstellation werden.

Die Alternative ist, dass sich im institutionellen Bereich nichts maßgeblich verändert, was angesichts der Herausforderungen und Probleme, die sowohl die Kommission wie der (Europäische) Rat bewältigen müssen, die wohl schlechteste Lösung darstellt. Daher könnte sich die Einsetzung eines eigenen Präsidenten des Europäischen Rates letztlich als einzig tragfähiges Gegengewicht zur Wahrung der Stellung der Kommission in den Gemeinschaftspolitiken sowie zur Festigung ihrer Legitimationsbasis herausstellen. Jeder der beiden Präsidenten hätte seine klaren Zuständigkeits- und Vertretungsbefugnisse im zwischenstaatlichen bzw. im gemeinschaftlichen Bereich abzudecken. In den Feldern, in denen sich die Aufgaben überschneiden, würde natürlich ein Abstimmungsprozess nötig sein, der durchaus auch einmal konfrontativ verlaufen kann. Doch Konkurrenz belebt das Geschäft - und sorgt für eine bessere öffentliche Wahrnehmung. Wer also hat Angst vorm "schwarzen Mann"? Viele! Wenn er aber kommt? Dann binden wir ihn ein!


  W e b d o s s i e r

EU-Konvent


P u b l i k a t i o n

Bridging the
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A Strategy for Improving Political Leadership in the EU by the Thinking Enlarged Group

EU 25+
Eine Bestandsaufnahme nach dem Europäischen Rat in Kopenhagen  
           
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Aktualisiert am: 27.01.2003   Impressum | Design by [meteme.de]   Seite drucken | Seitenanfang