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P o s i t i o n Die Verfassung ist mehr als die "doppelte Mehrheit"Von Almut Metz - 11. Dezember 2003 In diesen Tagen entscheiden die Mitgliedstaaten über das Schicksal des Verfassungsentwurfs des Konvents. Verfolgt man die Berichterstattung der Medien zu den Auseinandersetzungen im Rahmen der Regierungskonferenz, so gewinnt man den Eindruck, das europäische Verfassungsprojekt umfasse vor allem drei Themen: die von Spanien und Polen heftig attackierte "doppelte Mehrheit" im Rat, die künftige Zusammensetzung der Kommission, gegen die "Kleine" und "Mittlere" gemeinsam mit den "Neuen" Sturm laufen, sowie die Bestimmungen zur Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP). "Europäische Verfassung vor dem Scheitern" titelte jüngst eine große deutsche Tageszeitung angesichts der verhärteten Fronten zwischen den Mitgliedstaaten zu diesen prominenten Zankäpfeln der Regierungskonferenz. Was dabei völlig aus dem Blickfeld gerät: die Verfassung enthält weit mehr als Bestimmungen zu Mehrheitsentscheidungen und institutionellen Details. Sie auf diese - zugegebenermaßen wichtigen Machfragen - zu reduzieren ist ein fatales Signal an die Unionsbürger. Der Bürger versteht nicht, was denn nun Neuartiges an der "Europäischen Verfassung" sein soll: Um Kommissionsgröße, Stimmengewichtung und die Ausweitung von Mehrheitsentscheidungen wurde doch schon in den vergangenen Reformrunden von Amsterdam und Nizza gerungen, hier fand man bereits "tragfähige Kompromisse". Wozu benötigte Europa zusätzlich noch einen Konvent, wenn es ohnehin wieder nur um die alten Themen ging? Daher muss klargestellt werden: es geht in der Verfassung um weit mehr. Die Zusammenführung der bisherigen Verträge in einem Gesamtdokument, die Verleihung einer einheitlichen Rechtspersönlichkeit, die Integration der Grundrechtscharta, die Abgrenzung der Zuständigkeiten durch eine klare Kompetenzordnung, die Stärkung des Europäischen Parlaments und der nationalen Parlamente, die Einführung eines Bürgerbegehrens und die Personalisierung durch den gewählten Präsidenten des Europäischen Rates und den Europäischen Außenminister sind bedeutende Errungenschaften des Konvents, die Legitimation und Transparenz europäischer Entscheidungen verbessern und die Demokratie in der EU - zu Gunsten der Bürger - stärken. Die Regierungskonferenz hat diese Reformschritte, die den Löwenanteil des Konventsentwurfs ausmachen, in ihrer Substanz nicht angetastet. Die Machtfragen, die nun so heftig umkämpft sind, sind aus dieser Perspektive lediglich ein kleiner Bestandteil des Gesamtpakets. Sie haben aber eine besondere Bedeutung: Sie entscheiden darüber, ob das Potenzial, das in den anderen 95 Prozent der Verfassung angelegt ist, auch entfaltet werden kann. Auf dem abschließenden Gipfel sollte daher nicht machtpolitisches Taktieren der Mitgliedsstaaten im Mittelpunkt stehen, sondern die Handlungsfähigkeit der erweiterten EU. Als Prüfraster für den Erfolg der Regierungskonferenz sollte folgende "Effizienzkatalog" dienen:
Wenn das Verfassungsprojekt an diesen Themen scheitert, dann ist nicht nur die Handlungsfähigkeit der EU bis auf weiteres verspielt worden. Die Konsequenz wäre vielmehr auch, dass alle Errungenschaften des Konvents, die zu einem Mehr an Effizienz, demokratischer Legitimation und Transparenz in der EU führen, automatisch vom Tisch sind. Dies hätte fatale Folgen für den Integrationsprozess und dessen Akzeptanz von Seiten der Bürger. |