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EU-Finanzreform 1999
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Friedrich Heinemann: EU-Finanzreform 1999 - Eine Synopse der politischen
und wissenschaftlichen Diskussion und eine neue Reformkonzeption,
Verlag Bertelsmann Stiftung , Gütersloh 1998. 82 Seiten. ISBN
3-89204-825-8.
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Die Studie leistet eine umfassende Synopse und kritische Analyse der
vielfältigen Vorschläge zur Reform der EU-Finanzverfassung.
Zunächst erfolgt eine Erläuterung der deutschen Position, wie
sie sich in Äußerungen aus Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat darstellt.
Es folgen in den weiteren Abschnitten Positionen aus dem Europäischen
Parlament und der Kommission. Den größten Teil der Synopse nimmt
Kapitel 5 mit einer Übersicht und Bewertung der wissenschaftlichen Reformdiskussion
ein.
Auf der Basis dieser Positionsbestimmung wird im letzten Kapitel schließlich
ein eigener zweigeteilter Reformvorschlag entwickelt: In einer Maximalvariante
werden zunächst Grundzüge einer grundlegend neu ausgerichteten
EU-Finanzverfassung skizziert. Im Anschluß daran werden dann punktuelle
Verbesserungen der bestehenden EU-Finanzverfassung vorgeschlagen, die
keinen völligen Systemwechsel erforderlich machen.
Für die Maximalvariante werden wesentliche Elemente des heutigen
EU-Fiskalsystems zur Disposition gestellt. Auf der Ausgabenseite sind
zwei grundlegende Änderungen vorgesehen:
1. Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) muß weitgehend renationalisiert werden.
2. In der Strukturpolitik sollten die Strukturfonds - inklusive Kohäsionsfonds
- durch einen "Kompensationsfonds" ersetzt werden.
Begünstigung und Belastung sind im Rahmen des Kompensationsfonds
einstimmig für einen mehrjährigen Zeitraum festzulegen. Die
Zahlungen an die Mitgliedstaaten sollten mit keinerlei Vorgaben über
die konkrete mikroökonomische Verwendung dieser Mittel verbunden
sein. Allerdings sollte die Gewährung von Mitteln aus dem Kompensationsfonds
von makroökonomischen Konditionen abhängig gemacht werden, wodurch
auch ein glaubwürdiges Sanktionsinstrument zur Flankierung der Währungsunion
geschaffen wäre. Auf der Einnahmenseite ist die EU weiterhin - zusätzlich
zu den Einnahmen aus Zöllen und Agrarabschöpfungen - durch Finanzbeiträge
der Mitgliedstaaten zu finanzieren, deren Anteil an den nationalen Steuern
allerdings explizit auszuweisen wäre. Eine Verschuldung der EU wird
nicht zugelassen.
Durch die Renationalisierung der GAP und die Einrichtung des Kompensationsfonds
würde das EU-Budget auf seine Kernaufgabe - die Finanzierung europäischer
öffentlicher Güter - konzentriert. Die neue Finanzkonzeption
könnte so auch die Bewältigung der Osterweiterung erleichtern,
da die Teilnahme der neuen Mitgliedstaaten an den zentralen und integrationspolitisch
unabdingbaren Politikbereichen des Kernbudgets kaum finanzielle Probleme
bereiten würde.
Die vorgeschlagene Maximalreform - Renationalisierung von Agrar- und Strukturpolitik,
Einrichtung des Kompensationsfonds - geht weit über das hinaus, was
kurzfristig durchsetzbar erscheint. Dennoch spricht viel dafür, die
historische Chance des anstehenden Problemdrucks aus Osterweiterung, Finanzengpässen
und Strukturreform zu einer umfassenden Änderung zu nutzen.
Neben der Maximalvariante wird alternativ der Entwurf einer Minimalreform
skizziert, die sich auf punktuelle Verbesserungen beschränkt. Demnach
ist für die Agrarpolitik zumindest die konsequente Beseitigung aller
Preis- und Mengeninterventionen und ein Übergang zu ausschließlich produktionsneutralen
Subventionen sowie der gestaffelte Abbau aller verbleibenden EU-Subventionen
und die weitgehende Rückverlagerung dieses Bereichs in die nationale
bzw. regionale Kompetenz zu fordern. In der Strukturpolitik können
zwar die jetzigen Förderinstrumente weiterhin Verwendung finden,
diese müssen aber zusätzlich mit der für den Kompensationsfonds
beschriebenen makroökonomischen Konditionalität ausgestattet
werden. Unverzichtbares Element zur Verhinderung der weiteren Expansion
des EU-Haushaltes ist zudem die Abkehr von der automatischen Anpassung
des Budgets an Inflations- und Wachstumsrate. Der Finanzrahmen sollte
primärrechtlich geregelt und nur noch in nominalen Absolutbeträgen
festgesetzt werden. Damit kann gewährleistet werden, daß die EU-Fiskalpolitiker
keine Inflationsgewinner sind - eine wichtige Hilfe für die Reputation
der neuen europäischen Währung.
Anders als für die vorgebrachte Reform-Maximalversion dürften
die punktuellen Reformen der Minimalreform bereits kurzfristig im Bereich
des Umsetzbaren liegen. Und auch geringe Kurskorrekturen heute können,
bezogen auf die Gestalt der EU Mitte des nächsten Jahrhunderts, große
Auswirkungen haben und auf diese Weise langfristig zu dem in der Maximalvariante
angestrebten Systemwandel führen.
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