Grundzüge einer europäischen
Wirtschafts- und Finanzverfassung
C·A·P Working Paper, München 05/2002
Von Holger B. Friedrich
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Mit der Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU)
ist der Europäischen Union ein entscheidender Integrationsschritt
gelungen. Bisher ist die Einführung des Euro ein voller Erfolg: steigende
Preistransparenz, der Wegfall von Wechselkursrisiken und sinkende Transaktionskosten
intensivieren den Wettbewerb innerhalb des gemeinsamen Währungsraums.
Der vertiefte Finanzbinnenmarkt erhöht zudem Europas Attraktivität
als Investitionsstandort. In der Summe entsteht durch die Währungsunion
mehr Planungssicherheit und monetäre Verlässlichkeit. Der Euro
ist zugleich eine entscheidende Antwort Europas auf die Internationalisierung
der Weltwirtschaft und auf die immer härter werdende Standortkonkurrenz
im globalen Wettbewerb. Die WWU ist auch ein Ausdruck des politischen
Willens der Mitgliedstaaten, den Weg der Stärkung gemeinsamer politischer
Handlungsfähigkeit fortzusetzen. Dies gelingt um so besser, je leistungs-
und anpassungsfähiger die gemeinsamen Regeln und Verfahren sind.
Mit Blick auf die Vollendung der WWU zeigt sich jedoch, dass der gegenwärtige
Handlungsrahmen der Gründungsgemeinschaft immer weniger eine ausreichende
Gestaltungs- und Regierungsfähigkeit auf europäischer Ebene
gewährleisten kann.
Es ist folglich zu fragen, wie zukunftsfähig die gegenwärtigen
Vertragsgrundlagen sind. Sie müssen garantieren, dass im weiteren
Verlauf der Wirtschafts- und Währungsintegration das Prinzip der
gleichen Wettbewerbsbedingungen für alle Mitgliedstaaten Bestand
hat. Darüber hinaus muss das ordnungspolitische Regelwerk der Gemeinschaft
in der Lage sein, den Spannungsbogen einer kontinuierlich erweiterten
WWU konstruktiv auflösen zu können. Dieser reicht von der Intensivierung
der wirtschaftspolitischen Zusammenarbeit, der schrittweisen Erweiterung
und Vertiefung der WWU bis hin zur Schaffung einer gemeinsamen Wirtschaftsregierung.
Als ersten Schritt gilt es daher zu prüfen, welche Aufgabenfelder
und Bestimmungen der Materie der Vollendung der Wirtschafts- und Währungsintegration
zuzurechnen und dementsprechend in eine gemeinsame Wirtschafts- und Finanzordnung
zu überführen sind. Dazu müßten die elementaren Grundzüge
einer europäischen Wirtschaftsverfassung aus den bisherigen Vertragsbestandteilen
herausgearbeitet werden. Daraus lassen sich in einem zweiten Schritt klare
Kategorien für die politischen Aufgabenfelder sowie die Zuständigkeitsverhältnisse
ableiten. In einem dritten Schritt sollten diese Kategorien die Neuordnung
der wirtschaftspolitischen Bestandteile der Gemeinschaftsverträge
ermöglichen. Im Ergebnis entsteht eine stringente Ordnung mit klaren
Zuständigkeiten und einer übergeordneten ordnungspolitischen
Zielrichtung.
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