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P o s i t i o n

Historisch einzigartig, im Detail unvollendet - eine Bilanz der Verfassung

Von Janis Emmanouilidis - 21.06.2004


Europa hat eine Verfassung. Fast ein Jahr nach dem Ende der Beratungen im Europäischen Verfassungskonvent und nach einem gescheiterten Anlauf zur Verabschiedung der Verfassung im Dezember 2003 haben sich die Staats- und Regierungschefs am 18. Juni 2004 auf das konstitutionelle Fundament für das große Europa geeinigt. Die bisherigen Verträge werden gemeinsam mit der europäischen Grundrechtecharta in einem in sich geschlossenen Text mit vier Teilen und insgesamt ca. 460 Artikeln zusammengeführt. Damit verfügt die Europäische Union (EU) zum ersten Mal in ihrer Geschichte über eine in einem einzigen Dokument niedergelegte Verfassung. Obwohl damit das Ende der Geschichte noch nicht geschrieben ist und sich in Europa eine gemeinsame Verfassungsidentität seiner Bürger noch ausbilden muss, bedeutet die in Brüssel erzielte Einigung eine historische Zäsur in der Integrationsgeschichte - die Verfassung hebt die Europäische Union auf ein höheres Integrationsniveau und bindet die Mitgliedstaaten noch enger zusammen.

Jenseits der geschichtlichen Tragweite stellt sich jedoch die Frage, welche konkreten Fortschritte der "Vertrag über eine Verfassung für Europa" bringt. Insgesamt hat das machtpolitische Schachern der Mitgliedstaaten hinter verschlossenen Türen, das zum Abschluss der Regierungskonferenz wieder die Oberhand gewonnen hat, seinen Preis. Der erzielte Verhandlungskompromiss bleibt in einigen Punkten hinter den Vorschlägen des Europäischen Konvents vom Juni 2003 zurück. Dennoch revidiert das finale Ergebnis die größten Fehlentwicklungen des Vertrags von Nizza und ist weitaus viel versprechender als das, was im bislang üblichen Verfahren einer Regierungskonferenz ohne Konvent hätte erreicht werden können.

Die Europäische Verfassung setzt drei zentrale strategische Richtmarken:

  • Die Einführung eines gewählten Präsidenten des Europäischen Rates sowie die Schaffung des Amtes eines Europäischen Außenministers tragen entscheidend zu einer Bündelung der Kräfte und einer Verbesserung der politischen Führung in der erweiterten Union bei. Die Personalisierung der Europapolitik erhöht die Kontinuität, Sichtbarkeit sowie die Zurechenbarkeit von Verantwortung im politischen System der EU.

  • Die Europäische Union wird in Folge der Stärkung der Mitentscheidungs- und Haushaltsrechte des Europäischen Parlaments künftig über ein Zwei-Kammer-System verfügen. Das Zusammenspiel zwischen Ministerrat und Europaparlament nähert sich damit dem Grundmuster vieler nationaler Verfassungsordnungen an.

  • Das neue konstitutionelle Fundament stärkt die Fähigkeit der EU, sich auch in Zukunft dynamisch weiter zu entwickeln. Neue Wege eröffnen hier die Ausweitung der Möglichkeiten zur flexiblen Integration sowie die Etablierung vereinfachter Verfahren zur Reform der Entscheidungsprozesse und einer Vielzahl der internen Politiken der EU. Faktisch sind auf diesen Feldern in Zukunft Verfassungsänderungen ohne Regierungskonferenz möglich.

Nachdem die Staats- und Regierungschefs sich auf einen gemeinsamen Text geeinigt haben, muss die Verfassung die wohl höchste Hürde noch nehmen. In den kommenden Monaten muss der Text nicht nur in seine finale Form gegossen, übersetzt und unterschrieben werden. Das In-Kraft-Treten des neuen europäischen Grundlagendokuments setzt die Ratifikation der Verfassung in allen EU-Mitgliedstaaten voraus. Dieser Prozess gewinnt dadurch an Brisanz, dass in einer Reihe von Mitgliedstaaten ein nationales Referendum stattfinden wird, hierzu gehören Belgien, Dänemark, Irland und Großbritannien, mit hoher Wahrscheinlichkeit aber auch Frankreich, Luxemburg, die Niederlande, Polen, Portugal und Spanien. Die Erfahrungen in Dänemark (Maastricht) und Irland (Nizza) ebenso wie das zunehmende Gewicht der Europaskeptiker in vielen dieser Staaten nach den jüngsten Europawahlen lassen nur den Schluss zu, dass ein Scheitern einzelner Volksabstimmungen keineswegs ausgeschlossen ist.

Es wird nicht einfach sein, die Bürger und Parlamente in allen EU-Ländern von der Europäischen Verfassung zu überzeugen. In den Ländern, in denen eine Ratifikation gefährdet erscheint, werden gewaltige Anstrengungen notwendig sein, um die Vorteile der Verfassung zu vermitteln und dadurch einen erfolgreichen Ausgang der nationalen Ratifikationsprozesse herbei zu führen. Das wichtigste Argument wird dabei lauten: Mit seiner Verfassung steht Europa deutlich zukunftsfähiger da als ohne.


Ansprechpartner

Janis A. Emmanouilidis
E-Mail: janis.emmanouilidis@lrz.uni-muenchen.de

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Aktualisiert am: 25.06.2004   Impressum | Design by [meteme.de]   Seite drucken | Seitenanfang