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P o s i t i o n
Umrüsten, Abrüsten, Ausrüsten
Die Bundeswehrreform droht zu ersticken
Von Thomas Bauer
- 25. Februar 2003

Die NATO erwartet von Deutschland eine Reform ihrer Streitkräfte
- Bundesverteidigungsminister Peter Struck und NATO Generalsekretär
Lord Robertson sind diesbezüglich im Gespräch.
Foto: NATO
Eine Weiterentwicklung der Bundeswehrreform hatte der Bundesminister
für Verteidigung Peter Struck auf der Münchner Sicherheitskonferenz
versprochen. Die Bundeswehr müsse sich konsequenter auf ein wahrscheinliches
Einsatzspektrum vorbereiten. Die dafür notwendigen Einschnitte und
Neuplanungen bei den Beschaffungsmaßnahmen waren ansatzweise schon
im Dezember 2002 angekündigt worden. Nun hat Struck die Liste der
zu überprüfenden Rüstungsprojekte vorgelegt, die sein Generalinspekteur
in den letzten Monaten durchgearbeitet hatte. Das Ergebnis mag von den
Zahlen her kaum überraschen, verwunderlicher ist vielmehr, dass die
Konsequenz, die der Minister noch im Dezember als wesentlichstes Kriterium
aller Reformbemühungen der Bundeswehr gefordert hatte, verloren gegangen
ist.
Der Verteidigungsetat wird bis 2006 auf einem Niveau von 24,4 Milliarden
Euro eingefroren, was unter Berücksichtigung von Inflation und den
damit verbundenen steigenden Wartungskosten für Waffensysteme und
Liegenschaften einer weiteren Reduzierung gleich kommt. Dadurch wird der
Anteil des Wehretats am Bruttoinlandsprodukt noch unter den derzeitigen
Wert von 1,5% absinken. Um den für die Modernisierung notwendigen
Investitionsanteil innerhalb dieser Summe zu erhalten ohne die Aufwendungen
für die Auslandseinsätze zu minimieren, mussten laufende Festkosten
reduziert werden. Die dafür im Dezember bereits vorgelegten Beispiele
und Überlegungen stießen insgesamt auf eine positive Resonanz.
Realistisch wie kein Minister vor ihm hatte damals Peter Struck die Überkapazitäten
an altem Material, bedingt durch ein Missverhältnis zwischen Landesverteidigung
und Interventionskräften, für die fehlenden Investitionsgelder
verantwortlich gemacht. Dass dieser Vorwurf nur unter der Prämisse
gilt, dass mit einem Anstieg des Wehretats in nächster Zeit nicht
zu rechnen ist, verschwieg er jedoch.
Der Abbau von Überbeständen spielt bei den Reformbemühungen
der deutschen Streitkräfte eine zentrale Rolle. Umfang und Aufbau
der Bundeswehr spiegeln immer noch den Primat der Landesverteidigung wider.
Das Marinefliegergeschwader wird organisatorisch der Luftwaffe unterstellt,
die wiederum bis 2005 den Abbau von 2 Geschwadern durchzuführen hat.
Das bedeutet 80 bis 90 Kampfflugzeuge vom Typ Tornado. Die Anzahl der
schweren Kampfpanzer vom Typ Leopard wird annähernd halbiert. 10
Schnellboote der Klasse 143 werden bereits 2005 außer Dienst gestellt,
deutlich früher als geplant. Die Luftverteidigung wird in Zukunft
nur noch durch das Waffensystem Patriot erfüllt, die übrigen
Systeme Stück für Stück ausgemustert. Wer sich mit einer
grundlegenden Reduzierung an Wehrmaterial als Ausgangslage für eine
Reform und Modernisierung der Bundeswehr zufrieden gibt, dürfte darin
einen guten Ansatz erkennen. Das ganze besitzt jedoch einen bitteren Beigeschmack,
da die Reformansätze sich maßgeblich an engen finanziellen
Vorgaben orientieren. Leere Kassen als Reformmotor dienen jedoch kaum
der Effektivitätssteigerung.
Die Verbände an sich werden kleiner, aber nicht moderner, da notwendige
Investitionen für die Umstrukturierung und Neuausrüstung fehlen.
Auch der personelle Bestand müsste für einen zweckmäßigen
Umbau der Streitkräfte von der Landesverteidigung zur raschen Interventionsfähigkeit
deutlich reduziert werden. Bedenkt man die Tatsache, dass 50% des Verteidigungshaushalts
allein für Personalkosten ausgegeben werden erhöht sich der
Druck auf Minister Struck noch mehr. Dabei waren 220.000 Mann als Grundumfang
der Bundeswehr bereits im Weizsäcker-Papier vorgeschlagen worden.
Dies würde auch das Ende der Wehrpflicht mit sich bringen, und an
diesem Thema scheiden sich regierungsintern immer noch die Geister. Während
die SPD an der Wehrpflicht festhalten möchte ist es vor allem der
Koalitionspartner, der sich auf die Einführung eine Berufsarmee festgelegt
hat. Die Überprüfung der Wehrpflicht bis 2006 ist zumindest
im Koalitionsvertrag festgeschrieben worden. Form und Umfang von Truppen-
und Gerätereduzierung weisen bei genauerer Betrachtung erhebliche
Mängel auf. Anstelle der Auflösung eines kompletten Verbandes
werden Einheiten aus mehreren Verbänden herausgelöst. Dadurch
können die laufenden Kosten nur ansatzweise gekürzt werden.
Das volle Einsparpotential ergäbe sich aus dem Wegfall kompletter
Liegenschaften, Versorgungs- und Nachschubeinheiten.
Auch der Verzicht auf bestimmte Beschaffungsprogramme hat nichts mit
einer Reform zu tun. Die Investitionsliste, die der Minister als Ersatz
für die berechtigten Streichungen vorlegte, deckt nur das allernotwendigste
an Waffensystemen für die Streitkräfte ab. So ist vor allem
der Verzicht auf 30 Kampfhubschrauber vom Typ Tiger nur durch Etatengpässe
zu erklären. Denn der für Kampfunterstützung und -aufklärung
ausgelegte Helikopter würde dem Heer genau die Befähigung zur
modernen Kampfführung geben, die Peter Struck für die Bundeswehr
einfordert. Wird die Streichliste in der gegebenen Form ausgeführt,
dann könnte die Bundeswehr, die derzeit schon mit 10.000 Soldaten
an Auslandseinsätzen beteiligt ist, in einen etatbedingten Reformstau
geraten, aus welchem sie erst in 5 bis 10 Jahren wieder herauskommen dürfte.
Reformen kosten Geld bevor sie wirksam greifen. Dieser Grundsatz wird
im Verteidigungsministerium zwar auch erkannt, doch die Mittel zur Lösung
der Finanzmisere werden nicht konsequent genug angewandt. Würde man
sich an den Streitkräften Großbritanniens orientieren, dann
müsste die Bundesregierung für die derzeit 285.000 Mann starke
Bundeswehr 52 Milliarden Euro ausgeben, da London doppelt so viel Geld
pro Soldat und Jahr investiert wie Deutschland. Die andere Alternative
wäre die Reduzierung auf 135.000 Mann bei gleich bleibendem Etat.
Beide Wege sind unrealistisch, und so gilt es einen Kompromiss auf dem
Mittelpfad zu erreichen.
Der Verzicht auf Überbestände und veraltete Waffensystem ist
der richtige Weg. Doch solange man die Diskussion über Standortschließungen
und Truppenreduzierung außen vor lässt, ist jeder Reformansatz
zum Scheitern verurteilt. Die Reform muss endlich eine klare Richtung
bekommen, und diese konsequent und schnell verfolgt werden. Kleinere Streitkräfte
durch kleinere Verbände, verteilt auf weniger Standorten, aber dafür
ausgerüstet mit den modernsten Waffensystemen in ausreichender Zahl.
Das muss der Weg für eine neue Bundeswehr sein, die mobile, schlagkräftige
und durchhaltefähige Einsatzkräfte in multinationalen Verpflichtungen
führen kann. Ein durch Etatkürzungen bedingtes Verzögern
der längst überfälligen Streitkräftereform in Deutschland
richtet bei Beibehaltung des gegenwärtigen deutschen Engagements
bei Auslandseinsätzen nur noch mehr Schaden an.
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