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P o s i t i o n
Der Präsident drückt auf das Tempo
Die Irak-Frage und Bushs Rede zur Lage der Nation
Von Wolfgang Bücherl
- 1. Februar 2003
RealVideo: "State
of the Union - Address" von Georg W. Bush

US-Präsident Bush bei seiner Rede am 28.01.2003 im US-Kongress.
Foto: www.whitehouse.gov
Diese Rede George W. Bushs zur Lage der Nation war wohl seine schwierigste.
Die Umfragewerte Bushs sind auf den Stand von August 2001 zurückgefallen,
die Wirtschaft stagniert und die nötige Reform des Sozialsystems
ist bislang ausgeblieben. Außerdem war die Rede in einem Maße
an die Welt gerichtet wie kaum eine frühere "State of the Union
Address" eines Präsidenten - und die Welt erwartete sie mit
Spannung.
Von London bis Bagdad hofften die Kommentatoren, Anzeichen dafür
zu finden, ob Amerika einen Krieg führen wird oder nicht. Doch hat
Bush diese Erwartungen erfüllt?
Tatsächlich war die "State of the Union Address" eine
Rede zur weiteren Mobilisierung der Nation und zur Vorbereitung der Welt
auf einen möglichen Krieg. Zwar ließ der Präsident inhaltlich
keine neue Strategie erkennen, er bekräftigte jedoch sein bisheriges
Vorgehen:
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Schon seit Monaten ist die amerikanische Regierung dabei, materiell
und mental mobil zu machen für einen Ernstfall, der den Einsatz
von bis zu 200.000 Soldaten bedeuten könnte. Dabei hat Bush gestern
noch einmal bekräftigt, dass er die vollständige Entwaffnung
Saddam Husseins notfalls auch mit Waffengewalt erzwingen werde.
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Abermals wurde deutlich, dass Bush nicht nur die Entwaffnung des
Iraks erreichen will. Der seit dem 11. September von den Amerikanern
geäußerte Verdacht, dass Saddam Hussein das Terrornetzwerk
al-Qaida unterstützen könnte, liefert die Begründung
für einen notfalls durch Krieg zu erzwingenden Regimewechsel.
Dass dieser Verdacht bislang nicht offiziell erhärtet wurde,
spielt dabei für Bush-Regierung eine untergeordnete Rolle.
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Vor einem Jahr sprach der Präsident von einer "Achse des
Bösen", welche von Bagdad über Teheran nach Pjöngjang
reiche. Zwar vermied Bush diesmal den ominösen Begriff, er machte
jedoch klar, dass er den Iran und Nordkorea als ernste Bedrohung sehe.
Letztlich liefern ihm die Erpressungsversuche Nordkoreas die Begründung
dafür, dass zumindest im Irak ein schneller Sturz des Regimes
herbeigeführt werden müsse: Die Nation und die Welt, so
Bush, müssten ihre Lehren aus dem Fall Nordkorea ziehen und verhindern,
dass eine noch größere Bedrohung durch den Irak entstehe.
An Saddam soll also ein Exempel statuiert werden, das weiteren Erpressungsversuchen
durch "Schurken" vorbeugen soll.
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Bereits Anfang Oktober 2001, kurz nach den Terrorangriffen, stellte
George W. Bush die Welt vor die Wahl: Jede Nation habe sich zu entscheiden,
denn es gebe keinen neutralen Boden in der Auseinandersetzung gegen
den Terror. In seiner Rede zur Lage der Nation wiederholte er seine
Aufforderung an alle freien Nationen', sich Amerika anzuschließen.
Allerdings - und dies war eine Klarstellung vor allem an Deutschland
und Frankreich - werde sich Amerika auf seinem Weg nicht von den Entscheidungen
anderer abhängig machen. Bush hält gegenüber den Verbündeten
an der bisherigen Marschroute fest: Er wird also nur so lange eine
multilateralen Kurs verfolgen, wie dies Amerikas Interessen dient.
Zwar gibt es keine neue inhaltliche Ausrichtung der USA in der Irak-Frage,
der Präsident drückte jedoch merklich auf das Tempo. Er verschärfte
die Gangart gegenüber dem Irak und dem UNO-Sicherheitsrat, was den
Ablauf der Ereignisse in den kommenden Wochen prägen wird:
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Zunächst richtet sich jetzt die Aufmerksamkeit der Welt auf
den 5. Februar. An diesem Tag soll der amerikanische Außenminister
Powell, wie von Bush angekündigt, dem UN-Sicherheitsrat die seit
langem schuldig gebliebenen Beweise Amerikas für Verbindungen
zwischen Terrorgruppen und Saddam Hussein sowie für die Existenz
von Massenvernichtungswaffen im Irak vorlegen. Das weitere Vorgehen
im Sicherheitsrat wird zunächst davon abhängen, für
wie überzeugend die Mitglieder die amerikanischen Ausführungen
halten werden.
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Umgekehrt werden die USA die Sicherheitsratssitzung vom 5. Februar
und dabei vor allem die Reaktionen der ständigen Mitglieder zur
Grundlage ihres weiteren Vorgehens machen. Bush hat gestern wie in
der Vergangenheit keine Zweifel daran aufkommen lassen, dass er das
Gesetz des Handelns bestimmen wolle. Deshalb wird Amerika es überhaupt
nur dann zu einer Abstimmung über eine zweite Resolution kommen
lassen, wenn sich die Regierung sicher sein kann, dass diese in ihrem
Sinne ausfällt. Konkret müsste eine solche Resolution eine
Ermächtigung zu einem Krieg enthalten und dürfte in letzter
Konsequenz den Sturz Saddam Husseins nicht ausschließen.
Insgesamt werden die nun folgenden Tage und Wochen von intensiven Konsultationen
geprägt sein. Die Amerikaner werden die Bereitschaft der Verbündeten
und des Sicherheitsrates zur Unterstützung des amerikanischen Kurses
ausloten und vor allem den Druck erhöhen, um ein Ergebnis in Ihrem
Sinne zu verwirklichen. Die Besuche Blairs, Berlusconis und Aznars sind
nur die sichtbare Spitze eines Eisberges. Unterhalb der Oberfläche
wird auch Deutschland in die Konsultationen einbezogen werden, weil es
im Februar den Vorsitz im Sicherheitsrat hält. Der Spielraum Berlins
ist jedoch nach dem abermaligen Nein' Gerhard Schröders äußerst
beschränkt.
Der Aufmarsch amerikanischer Truppen am Golf soll in etwa drei Wochen
abgeschlossen sein. Dann wäre die Androhung eines Angriffs glaubhaft
und selbst ein amerikanischer Alleingang möglich. Amerika hat den
Ball in das Feld des Sicherheitsrats gespielt, doch dessen Handlungsspielraum
ist äußerst gering.
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P
r o j e k t
Improving Responsiveness
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