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P o s i t i o n

PATRIOT und FUCHS für Israel

Technologie am politischen Scheidepunkt

Von Thomas Bauer - 29. November 2002



PATRIOT-System der Bundeswehr.
Foto: Bundeswehr


Die Verknüpfung deutscher Streitkräfte mit einem möglichen Irak-Krieg wurde in den letzten Monaten von der Bundesregierung immer wieder vehement zurückgewiesen. Bundeskanzler Gerhard Schröder und sein Verteidigungsminister Peter Struck waren bei entsprechenden Anfragen durch die Medien stets bemüht diesen Weg der militärischen Nicht-Beteiligung durch klare Abgrenzungen von Zuständigkeiten der bereits im Ausland stationierten Verbände der Bundeswehr zu bekräftigen. Eine erste Lücke in dieser politischen Deckung ergab sich bei der Frage nach dem Auftrag für die in Kuwait stationierten ABC-Abwehr-Spezialisten mit ihren FUCHS-Spürpanzern im Falle eines irakischen Angriffs auf US-Truppen in der Region.

Einen noch größeren innenpolitischen Effekt dürfte die Anfrage der Israelis nach deutschen Flugabwehrsystemen hervorrufen. Der Schlüssel zur Beurteilung der Sachlage liegt im Detail. Israel selbst ist nach eigenen Angaben in Besitz eines ausgebauten Raketenabwehrsystems mit großer Reichweite vom Typ ARROW. Dieses System, das in Zusammenarbeit mit den USA entwickelt wurde, soll das israelische Territorium unter anderem vor irakischen SCUD-Raketen schützen. Es ist jedoch bekannt, dass ARROW weder in ausreichender Stückzahl operativ im Einsatz ist, noch die eigentliche Einsatzbereitschaft unter realistischen Bedingungen überzeugend getestet worden ist. Außerdem besitzen die ARROW-Raketen einen explodierenden Sprengkopf, der das abzufangende Ziel nicht direkt trifft, sondern durch eine Detonation in der näheren Umgebung zerstört. Hierbei können jedoch Bruchteile der Rakete, im schlimmsten Fall auch mitgeführte Kampfstoffe, über dem eigenen Gebiet niedergehen und weiteren Schaden verursachen. Unter diesem Aspekt ist die Bitte Israels nach deutschen PATRIOT-Flugabwehrsystemen als Alternative für die fehlende Kapazitäten zu sehen.

Die Bundeswehr besitzt seit mehreren Jahren das Flugabwehrsystem PATRIOT. Es besteht neben der eigentlichen Startanlage aus mehreren Aufklärungs-, Erkennungs-, Feuerleit- und Kontrollkomponenten. Die Startanlage selbst besteht aus einer Rampe mit vier lang gestreckten Containern, die jeder für sich eine Rakete beinhalten. Das Problem hierbei ist jedoch, dass die deutschen PATRIOT-Systeme zum größten Teil auf PAC-2 Status begrenzt sind. PAC-2 ist jedoch nicht für den Abschuss ballistischer Raketen geeignet, wie sich unter anderem beim Einsatz amerikanischer PATRIOT-Raketen im Golfkrieg 1991 gezeigt hat. Deswegen wird seit 1998 in der Bundeswehr die Kampfwertsteigerung zum PAC-3 Status durchgeführt, jedoch nur im Softwarebereich der Führungs- und Kontrollkomponenten. Der für die höhere Leistungsstufe neu entwickelte Flugkörper, der im so genannten hit-to-kill Verfahren den abzufangenden Flugkörper direkt trifft, ist bis jetzt noch nicht bei der Bundeswehr eingeführt worden, ein parlamentarischer Beschaffungsentscheid steht noch aus. Dadurch sind die deutschen PATRIOT-Flugabwehrsysteme nur bedingt für den Abschuss einer ballistischen Rakete geeignet.

Hält man sich diese Tatsachen vor Augen ist folgendes Szenario für die Zukunft möglich. Im Vorfeld eines militärischen Vorgehens der USA gegen den Irak müssen die arabischen Nachbarstaaten auf eine freundschaftliche bis neutrale Haltung gegenüber Washington eingeschworen werden. Eine Lieferung amerikanischer Waffensysteme an Israel wäre in diesem Zusammenhang unter Einbeziehung des sehr angespannten Verhältnisses zwischen Israel und den Palästinensern kontraproduktiv. Um Israel aber das Fähigkeitspotential für die Abwehr ballistischer Flugkörper zu gewährleisten, könnte Deutschland die Systemplattform mit den entsprechenden kampfwertgesteigerten Softwarekomponenten und Feuerleitanlagen stellen, während die USA, die bereits im Besitz der neuen PAC-3 Flugkörper sind, lediglich die Raketen an Israel zu liefern hätten. Dies könnte regierungsintern zu argen Verstimmungen führen. Eine Art Baukastenlieferung zusammen mit Drittländern im Rahmen eines militärischen Vorgehens der Vereinigten Staaten stellt trotz aller Beteuerungen, dass es sich um rein defensive Waffensysteme für Israel handelt, eine indirekte Beteiligung an den strategischen Planungen dar.

Wie schwer sich die Bundesregierung mit den Anfragen aus den USA und Israel tut, zeigt sich auch in den unkoordinierten und auf unvollständigen Information beruhenden Stellungnahmen aus Berlin. So ging man lange davon aus, dass Israel an einer Lieferung von FUCHS-Spürpanzern interessiert sei. Diese Fahrzeuge genießen auf Grund ihrer hohen Aufklärungs- und mobilen Analysefähigkeit im Falle eines Einsatzes von ABC-Waffen ein hohes Ansehen. Verteidigungsminister Struck spricht in diesem Zusammenhang gerne von "fahrenden Laboren", die nichts mit einer Waffe gemein hätten. Nun wurde jedoch bekannt, dass Israel nicht diese Variante des FUCHS-Panzers von Deutschland erbeten hat, sondern die stärker gepanzerte und bewaffnete Transportausführung. Die Zusage der Bundesregierung wurde daraufhin vorläufig zurückgezogen.

Durch die im Wahlkampf erfolgte Festlegung, dass Deutschland sich an einem Irak-Krieg auch mit UN-Mandat nicht beteiligen werde, hat sich die Bundesregierung zwischen alle Stühle gesetzt. Die außen- und innenpolitische Bewegungsfreiheit ist durch das Vabanquespiel vor und nach der Bundestagswahl verlorengegangen. Das weitere Vorgehen in diesem Konflikt gleicht einem Drahtseilakt für die Bundesregierung. Bundeskanzler Schröder muss den Erhalt seiner Glaubwürdigkeit mit den außenpolitischen Ansprüchen Dritter und dem zukünftigen sicherheitspolitischen Verständnis der Bundesrepublik und der EU verknüpfen. Hierbei die Balance zu halten scheint unmöglich.

Und noch etwas wird an diesem Beispiel deutlich. Die technologischen Grundlagen eines Waffensystems werden zum eigentlichen Politikum. Die Debatte um eine Lieferung von Radpanzern des Typ FUCHS an Israel entwickelt ihre Brisanz in dem Fähigkeitsprofil der unterschiedlichen Fahrzeugvarianten. Rüstungstechnologie wird dadurch zu einem gestalterischen Faktor politischer Überlegungen und Handlungsabläufe, und Rüstungspolitik, die sich in diesem Fall in Form von Exportverträgen bzw. Exportrichtlinien darstellt, somit ein Bestandteil von Außen- und Sicherheitspolitik.


 


 
           
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Aktualisiert am: 09.12.2002   Impressum | Design by [meteme.de]   Seite drucken | Seitenanfang