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P o s i t i o n

Parlamentswahlen in der Slowakei: Chancen für eine Integration in die westlichen Gemeinschaften

Am 20. und 21. September 2002 haben in der Slowakei Parlamentswahlen stattgefunden. Die Ergebnisse bieten gute Aussichten auf eine Fortsetzung des proeuropäischen Kurses der Anti-Meciar-Parteien, aber birgen auch einige Risiken. Eine aktuelle Analyse zur politischen Lage.

Von Daniela Oldekamp - 25. September 2002


Am 20. und 21. September 2002 haben in der Slowakei die dritten Parlamentswahlen seit der Unabhängigkeitserklärung im Jahr 1993 stattgefunden, auf deren Ergebnis nicht nur die innenpolitischen Akteure, sondern auch die Europäische Union und die NATO mit großer Spannung gewartet haben. Internationale und inländische Akteure waren sich darin einig, dass das Wahlergebnis darüber entscheiden wird, ob die liberal-demokratischen Mitte-Rechts-Parteien in der Slowakei ihren europafreundlichen Reformkurs fortsetzen können, oder ob ein Rückfall in die populistischen und nationalistisch-autoritären Tendenzen der Regierungszeit von Vladimír Meciar stattfinden wird.

Überraschende Ergebnisse

Das offizielle Wahlergebnis brachte einige Überraschungen. In den slowakischen Nationalrat werden insgesamt sieben Parteien einziehen: drei gemäßigte liberal-demokratische Mitte-Rechts-Parteien, die autoritär orientierte, national-populistische Bewegung für eine demokratische Slowakei (HZDS), zwei "alternative" Protestparteien ohne klares programmatisches Profil und nach einer langen Pause die orthodox kommunistische Partei. Aller Voraussicht nach werden die drei Mitte-Rechts-Parteien und die "alternative", rechtsorientierte Allianz des Neuen Bürgers (ANO) eine Regierungskoalition bilden. Diese Parteien erreichten 78 von 150 Mandaten im Slowakischen Nationalrat und damit eine knappe Mehrheit von drei Sitzen.

Wie erwartet wurde die von Vladimír Meciar geführte HZDS erneut zur stärksten Partei. Gleichzeitig jedoch verzeichnete die Partei einen großen Stimmenverlust im Vergleich zu den Parlamentswahlen 1998, der etwa sieben Prozentpunkte betrug. So erreichte Meciar 17,5% der Wählerstimmen und damit 36 von 150 Sitzen im Parlament. Ursache für den massiven Stimmenverlust war zum einen die Spaltung der Partei kurz vor den Wahlen. Im Juli 2002 hatte sich ein populärer Vertreter und Mitbegründer der HZDS nach internen Machtkämpfen von der Partei getrennt und eine eigene Partei "Bewegung für Demokratie" (HZD) gegründet. Die neue Partei bot somit eine Zuflucht für die mit Meciars Isolationspolitik unzufriedenen HZDS-Wähler. Zum zweiten ist der Stimmenverlust der HZDS auch auf die Entstehung der neuen alternativen Parteien zurückzuführen. Diese konnten diejenigen Wähler ansprechen, die sowohl mit der Politik der gesamten HZDS als auch mit der Politik der Regierung unzufrieden waren. Die HZDS wurde zwar zur stärksten Partei, beteiligt sich jedoch höchstwahrscheinlich nicht an der neuen Regierung, da sich bisher keine der sechs ins Parlament einziehenden Parteien bereit zeigte, mit Meciar zusammen zu arbeiten.

Eine andere Überraschung bereitete die Slowakische Demokratisch-Christliche Union (SDKÚ) des Ministerpräsidenten Mikuláš Dzurinda, die eine unerwartet hohe Stimmenzahl erreichte und mit 15,09% und 28 Mandaten zur zweitstärksten Partei wurde. Überraschend kam dieses Ergebnis deswegen, weil die Partei und insbesondere ihr Vorsitzender Dzurinda in den Meinungsumfragen sehr schlecht abgeschnitten hatten. Wegen ihrer internen Organisationsprobleme aber auch wegen der unpopulären Reformen hatte die Partei schon seit längerem an Popularität eingebüßt. Nun mussten einige Politiker der Mitte-Rechts-Parteien, welche zuvor eine Regierungszusammenarbeit mit Dzurinda abgelehnt hatten, ihre Kritik mäßigen. Denn von allen Mitte-Rechts-Parteien erreichte gerade Dzurinda die höchsten Wählerpräferenzen. Seine wiedergewonnene Popularität kann Dzurinda mehreren Faktoren verdanken. Zum einen sind es seine persönlichen politischen Leistungen. So konnte er unbestreitbar die Slowakei aus ihrer internationalen Isolation führen und den Weg in die westlichen Gemeinschaften frei machen. Die unpopulären Reformen, die unter seiner Führung unternommen worden sind, haben die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Dezentralisierung in der Slowakei weitgehend gestärkt. Zum anderen aber verdanken Dzurinda und seine Partei ihren Erfolg dem Fehlen anderer etablierter und glaubwürdiger demokratischer "Volksparteien". Zwar verzeichnen die neuen alternativen Parteien einen großen Zulauf an Anhängern. Angesichts ihrer durchschaubaren populistischen Methoden handelt es sich dabei aber überwiegend um Wechselwähler oder Protestwähler. Bereits kleine fehlerhafte Äußerungen können diese abschrecken.

Zur drittstärksten Partei wurde mit 13,46% der Stimmen und 25 Mandaten die linke "alternative" Partei SMER ("Richtung") unter der Führung ihres populistischen Parteichefs Róbert Fico. Auch dieser Partei brachte das Wahlergebnis eine Überraschung, jedoch eine eher unangenehme. Denn Fico galt lange Zeit als einer der beliebtesten Politiker im Lande und seine Partei erreichte in den Meinungsumfragen stets sehr hohe Wähleranteile. Dementsprechend hat sich SMER auf ein "Kopf-an-Kopf-Rennen" mit der HZDS eingelassen. Für den unerwarteten Rückfall der Partei auf den dritten Platz können die oft zu agressiven populistischen Äußerungen des Parteichefs aber auch das mangelnde programmatische Parteiprofil verantwortlich sein. Die Kritik Ficos richtete sich nicht nur auf die Arbeit der Regierungskoalition sondern auch auf ihre bedeutendsten Persönlichkeiten wie etwa den Regierungschef. Fico erlaubte sich in der letzten Zeit mehrere Fehler, die auf seine autoritären Methoden hingewiesen haben: etwa die schriftliche Vereinbarung mit seinen Parlamentskandidaten, die sich im Fall ihres Parteiaustritts dazu verpflichtet haben, auf ihr Abgeordnetenmandat zu verzichten, oder die Ankündigung einer möglichen Regierungszusammenarbeit mit der HZDS ohne Meciar. Die Angst der Wähler davor, dass der junge Populist Fico die Fehler aus der Meciar-Ära wiederholen könnte, war dementsprechend groß.

Erwartungsgemäß schnitt dagegen die Slowakische Magyarische Koalition (SMK) ab, die mit 11,16% der Stimmen und 20 Parlamentssitzen den vierten Platz besetzte, ebenso wie die darauffolgende Christlich-demokratische Bewegung (KDH) mit 8,25% und 15 Sitzen im Parlament.

Die rechte "alternative" Partei "Allianz des neuen Bürgers" (ANO) erzielte nur 8,01% der Stimmen und 15 Sitze im Nationalrat. Der Parteichef von ANO und Medienmogul Pavol Rusko gehörte vor den Wahlen zu den schärfsten Kritikern von Mikuláš Dzurinda und bediente sich, wie Fico, populistischer Kampagnen. Jetzt kündigte er an, den Bürgerwillen zu berücksichtigen, Kompromisse einzugehen und sich an der Mitte-Rechts-Koalition zu beteiligen. Dabei bot er keineswegs eine bedingungslose Zusammenarbeit an und drohte aus der Koalition auszusteigen, wenn sich die Regierungsparteien nicht an das Regierungsprogramm hielten oder wenn die Koalition nicht geschlossen auftrete. In einem solchen Fall könnte die linke alternative Partei SMER ANO ersetzen. Angesichts ihrer ideologischen Ausrichtung erscheint dies für die etablierten rechten Parteien jedoch weniger wünschenswert.

Die wahrscheinlich größte Überraschung war, dass mit der Slowakischen Kommunistischen Partei (KSS) eine der radikalsten kommunistischen Parteien Osteuropas in das slowakische Parlament einzog, was vor allem auf das von Machtkämpfen und Trennungen geschwächte linke Parteienlager zurückzuführen ist. Die KSS erreichte 6,32% der Wählerstimmen und 11 Parlamentssitze und konnte somit seit 1992 erstmals wieder die Fünfprozenthürde überwinden. Aufgrund ihres geringen Koalitionspotenzials muss sich die Partei allerdings auf die Rolle der parlamentarischen Opposition vorbereiten. Zu den Zielen der KSS gehören unter anderen kostenlose soziale Leistungen oder staatlich kontrolierte Schlüsselunternehmen und Banken. Die Partei spricht sich gegen den Beitritt der Slowakei zur NATO aus.

Nicht ins Parlament einziehen werden die neue HZD sowie die nationalistischen Parteien SNS und PSNS, die jeweils nur etwas über 3% der Stimmen erreicht haben.

Zerbrechliche Koalition - starke Opposition

Bereits kurze Zeit nach Verkündung des Wahlergebnisses verhandelten die Parteichefs der vier rechten Parteien SDKÚ, SMK, KDH und ANO über eine Regierungszusammenarbeit. Dabei schlossen sie die Beteiligung der Partei SMER an einer solchen Koalition aus. Ihre knappe Mehrheit von nur drei Mandaten deutet zwar auf eine zerbrechliche Regierungskoalition hin, die insbesondere an Uneinigkeiten über das Regierunsgprogramm (z.B. einem möglichen Konflikt über die Beneš-Dekrete zwischen der Magyarischen Partei und den anderen Koalitionspartnern) sowie an der mangelnden Loyalität der Regierungsparteien scheitern könnte. Gleichzeitig aber kann der enge parlamentarische Spielraum auf die Koalitionspartner auch disziplinierend wirken und somit eine effektive Zusammenarbeit erzwingen. Eine Beteiligung von Ficos SMER an der Regierung hätte zwar ihre Mehrheit gestärkt, doch angesichts der ideologischen Unterschiede wäre das Risiko der Uneinigkeit innerhalb der Koalition letztendlich viel größer. Der zerbrechlichen Regierungskoalition wird demzufolge eine starke Opposition, bestehend aus der HZDS, SMER und KSS, gegenüberstehen.

Trotz der klaren Verhältnisse und Koalitionspotenziale der einzelnen Parteien entschied sich der Präsident der Slowakei Rudolf Schuster, gemäß der slowakischen Verfassung dem Vorsitzenden der stärksten Partei, Vladimír Meciar, einige Zeit für die Verhandlungen mit den anderen Parteien einzuräumen. So bleibt Meciar eine Woche Zeit, um die Koalitionspartner zu suchen und mindestens 76 Mandate zu gewinnen. Für die rechten Parteien bedeutet dies eine erste Zerreißprobe. Denn schon jetzt könnte eine der vier Parteien ihre Loyalität gegen ein attraktives Angebot der HZDS aufkündigen - etwa die rechte alternative Partei ANO.

Eines der wichtigsten Ziele des Reformkurses, welcher von den liberal-demokratischen Parteien seit 1998 eingeschlagen wurde, ist die Beitrittsverhandlungen mit der EU am Ende des Jahres erfolgreich zu beenden sowie die Einladung zu den NATO-Beitrittsverhandlungen auf dem Prager-Gipfel im November zu bekommen. Die Realisierung dieser Ziele erfordert aber weitere Anstrengungen bei den innenpolitischen Reformen. So müssen die Privatisierungspolitik entschieden fortgesetzt, die Regionen weiter gestärkt und die Korruption energisch bekämpft werden. Um diese Reformen durchsetzen zu können, muss die künftige Regierung vor allem stabil sein.

Von dem Vermögen der rechten Parteien, zu ihren Koalitionsaussagen zu stehen, hängt es letztendlich ab, ob die Slowakei ihre Integrationspolitik in die EU und NATO auch weiterhin erfolgreich gestalten kann. Die Vertreter der westlichen Gemeinschaften haben nämlich oft und unmissverständlich darauf hingewiesen, dass sie mit Meciar und seiner HZDS nicht zusammenarbeiten wollen. Ohne das Vertrauen der westlichen Verhandlungspartner wären jedoch weitere Integrationsschritte unvorstellbar.

Daniela Oldekamp ist Praktikantin am C·A·P, Projekt Folgefragen der EU-Osterweiterung. Der Text entstand im Rahmen eines Projektes zu den Folgefragen der EU-Osterweiterung, das die Bertelsmann Stiftung zusammen mit der Bertelsmann Forschungsgruppe Politik am C·A·P durchführt. Bei den Einschätzungen handelt es sich um die persönliche Meinung der Autorin.


   
           
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Aktualisiert am: 05.12.2002   Impressum | Design by [meteme.de]   Seite drucken | Seitenanfang