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P o s i t i o n

Führung in der Politik

Mehr pragmatische Moderation als hierarchische Steuerung

Karl-Rudolf Korte - 19. Januar 2002


Die Kanzlerkandidatur ist das ranghöchste politische Ehrenamt, das in dieser Demokratie zu vergeben ist. Zugleich ist es in der Geschichte Deutschlands das erfolgloseste. Die meisten Bundestagswahlen bestätigten die amtierenden Kanzler. Von den sieben Bundeskanzlern seit 1949 kam als Kanzlerkandidat einer Oppositionspartei nur Gerhard Schröder durch Bundestagswahlen ins Amt.



Die Bronzeskulptur "Berlin" des spanischen Künstlers Eduardo Chillida vor dem neuen Bundeskanzleramt.
Foto: [meteme.de]


Dennoch hat sich in der Nachfolge von Willy Brandt, dem ersten als Kanzlerkandidaten gekürten politischen Spitzenakteur (1961), die Inthronisierung eines Kanzlerkandidaten bei den Parteien durchgesetzt. Wie kaum ein anderes Spitzenamt lebt es von der Aura des Heldenmotivs: Einer gegen alle! Monatelang geben sich die Auguren sphinxhaft. Nichts macht einen Politiker interessanter als das Geheimnis. Absichtsvolle Unklarheiten halten den Wettbewerb der möglichen Kandidaten offen. Die extreme Personalisierung ist ein Tribut an die Spielregeln der Mediendemokratie. Aufmerksamkeit wird politisch dort prämiert. Personen sind allemal interessanter als Sachprobleme. Der Wettbewerb der Kandidaten endet ebenso inszeniert, wie er begonnen hat. Überall nur Siegertypen. So auch diesmal beim Wettbewerb zwischen der CDU und der CSU. Wer seine Anhänger mobilisieren will, braucht Geschlossenheit. Deshalb muss auch die Kandidatin im Wartestand, zumal Vorsitzende der im Vergleich zur CSU überdimensional großen Schwesterpartei, gestärkt aus dem Verfahren hervorgehen. Auf gleicher Augenhöhe musste sich Angela Merkel auch zukünftige politische Optionen offen halten. Deshalb machte sie - halb getrieben halb aktiv - das Angebot an den Vorsitzenden der CSU zu einem cleveren Zeitpunkt, der ihr gleichzeitig ihre Machtposition stärkte. Schröder funktionierte 1998 erstmals eine Landtagswahl um in ein Plebiszit für die Kanzlerkandidatur. Niemals zuvor waren Landtagswahlen so sichtbar zu stellvertretenden Ersatzwahlen geworden. Die zentrale Führungsaufgabe mit neuen Ausrichtungen beginnt dann am Tag nach der Nominierung.

Politische Führung muss immer darauf aus sein, Mehrheiten aus sehr unterschiedlichen Interessengruppen zu schmieden. Pragmatiker des Augenblicks bilden Allianzen auf Zeit. Es gilt die Sachrationalität der geplanten Maßnahme mit der politischen Vermittlungs- und Durchsetzungsrationalität abzuwägen. Politische Führung ist deshalb häufig mehr pragmatische Moderation als hierarchische Steuerung. Politische Führung ist weitaus mehr als effizient orientierte Problemlösung. Sie ist in der entideologisierten Publikumsgesellschaft eine wichtige Variable, die über Sieg und Niederlagen bei Wahlen entscheiden kann. Messbar ist ein gestiegener Bedarf nach Entscheidern. Ob starke Führung nötig sei, darauf antworten immer mehr Menschen mit "stimme voll zu" (Daten im "Deutschland-Trendbuch" von Korte/Weidenfeld). In allen politischen Milieus ist der Bedarf an demokratischem leadership gestiegen. Gerade weil politische Gewissheiten an Prägekraft verlieren und sich die Muster von politischer Gefolgschaft verändern, steigt die Sehnsucht nach politischer Führung, die sich auch telegen personalisieren lässt. Die Führungsperson als Problemlöser. Dies kann nur funktionieren, wenn für das Publikum auch erkennbar ist, dass die Führungsperson parteipolitisch unterstützt wird. Rebellen, im Sinne von outstanding-Führern, haben nur in der Phase des Machterwerbs hohe Popularitätswerte. Danach belohnen die Wähler keine innerparteilichen Dissonanzen. Gleichzeitig agieren die Spitzenakteure der Parteien gegenüber dem Fernsehpublikum als parteidistanzierte Populisten mit präsidentiellem Gehabe: Wir sind einer von euch! Selbst die Bündnis-Grünen plakatieren 2002 deshalb erstmals ihren Spitzenkandidaten Fischer, den Parteihierarchien und dem Parteihader völlig enthoben.

Karl-Rudolf Korte (Vertretungsprofessur / www.karl-rudolf-korte.de) leitete bis 1998 die Forschungsgruppe Deutschland am CAP. Als CAP-Fellow ist er weiterhin in die Arbeit des CAP eingebunden.


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