P o s i t i o n
Der Euro leidet an einem Mangel an europäischer Identität
Von Holger
Friedrich - Dezember 2001
Der vordergründige Eindruck nach mehr als drei Jahren Währungsunion
ist positiv. Nach anfänglichen Schwierigkeiten ist der Euro an den
Finanzmärkten
akzeptiert. Die europäische Währung vertieft den Binnenmarkt
und trägt zur makroökonomischen Stabilisierung Europas bei.
Darüber hinaus erweist sich die gemeinsame Geldpolitik bisher als
Garant für die Preisstabilität. Dieser
Erfolg verbindet die Mitglieder und kommt ihrer Politik der
Haushaltskonsolidierung zugute. Mit dem Euro ist Europa zugleich eine
Stabilitäts- und Schicksalsgemeinschaft geworden.
Allerdings mehren sich angesichts der ersten Bewährungsprobe
des massiven konjunkturellen Abschwungs dieser Tage die Zweifel
an der Ernsthaftigkeit
der finanz- und wirtschaftspolitischen Koordinierung. Die Haushaltsdefizite
sind dieses Jahr wieder kräftig angestiegen. Strukturreformen werden
verschoben, die Verbindlichkeit des Stabilitäts- und Wachstumspaktes
wird
verwässert. Diese Entwicklung fördert nicht das Vertrauen in
den Euro und die ihn konstituierenden Institutionen sondern den Verdacht,
die WWU funktioniere nur zu konjunkturellen Schönwetterperioden.
Um dauerhaft erfolgreich zu sein und eine identitätsstiftende Wirkung
zu
entfalten, ist die WWU auf politische Einigkeit angewiesen. Genau darin
liegt das Problem: In mangelnder Einhaltung der vertraglichen Verpflichtungen
äußert sich nicht zu viel, sondern zu wenig Europa. Noch immer
dominieren nationale wirtschaftliche Interessen, Arbeitslosenzahlen und
Wachstumsraten die Debatte. Noch immer ist gerade in der größten
Volkswirtschaft der Währungsunion die Skepsis groß gegenüber
der neuen Währung und den europäischen Institutionen, vor allem
gegenüber der EZB. Nur zwei von drei Bundesbürgern vertrauen
der Zentralbank. Unter solchen Voraussetzungen kann die WWU nicht erfolgreich
sein, denn der Euro ist mehr als ein Zahlungsmittel. Die gemeinsame Währung
ist ein Symbol für die Leistungsfähigkeit und den Einheitswillen
der Menschen, die sie benutzen. Deshalb braucht der Euro die Überwindung
des nationalen durch das europäische Bewusstsein.
Die Bringschuld für Vertrauen und Identität liegt bei der Politik.
Während für die Glaubwürdigkeit der Geldpolitik allein
die EZB zuständig ist ihr Erfolg bestimmt letztendlich die
dauerhafte Sicherung der Geldwertstabilität steht die Politik
in den Mitgliedstaaten in der Verantwortung, die Bürger von der Tragfähigkeit
gemeinsamen europäischen Handelns zu überzeugen. Dafür
wird eine Klärung der Zuständigkeiten zwischen nationaler und
europäischer
Ebene ebenso notwendig sein wie eine Klärung der Zielrichtung gemeinsamer
Politik. Dies wird eine kritische Auseinandersetzung mit den jeweiligen
Bevölkerungen bedürfen, um den Prozess der politischen Willensbildung
hinter der gemeinsamen Idee Europas zu festigen. Europa und seine Währung
brauchen eine politisch-kulturelle Klammer um den Prozess der Marktliberalisierung
und der Strukturreformen. Der Euro braucht europäische Identität,
um erfolgreich zu sein und er schafft sie. Je mehr die Herausbildung
solch einer Identität gelingt, desto mehr wird auch der Euro den
europäischen Einigungsprozess beflügeln.
Der Autor betreut am CAP das Projekt Folgefragen
des Euro.
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