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N e w s & E v e n t s Tietmeyer warnt auf der SommerAkademie Europa vor Vertrauensverlust des EuroEine Veranstaltung des C·A·P in Zusammenarbeit mit der Bertelsmann Stiftung und der Heinz Nixdorf Stiftung vom 25. - 29. August im Kloster Seeon. 01.09.2003 - Bertelsmann Forschungsgruppe Politik
"An Sanktionen habe ich nie geglaubt, aber der Druck muss da sein. Ich hoffe, dass die anderen Länder Druck ausüben und die Kommission nicht weich wird." So kommentierte der ehemalige Bundesbankpräsident Hans Tietmeyer die erwartete Überschreitung der Drei-Prozent-Grenze durch Deutschland und Frankreich im zweiten Jahr in Folge. Tietmeyer rechnet aber mit einer milderen Behandlung Deutschlands durch die Europäische Kommission. Vor der SommerAkademie Europa im oberbayerischen Kloster Seeon sagte er, bei der Bekämpfung des Haushaltsdefizits sei es entscheidend, ob sich eine Regierung ernsthaft bemühe den Wachstums- und Stabilitätspakt durch Ausgabenkürzungen einzuhalten. Tietmeyer beschrieb die Währungsunion als eine "unvollendete Lösung mit Weichstellen". Zwar lehnte er die These, der Euro werde in zehn Jahren nicht mehr die gemeinsame Währung sein, ab, schloss Austritte aus der Gemeinschaftswährung allerdings nicht aus. Die ersten Überlegungen einer europäischen Wirtschafts- und Währungsunion in den 60er und 70er Jahren seien immer auch von einer politischen Union der damals sechs EG-Mitgliedstaaten ausgegangen, die einem europastaatlichen Modell nahe gekommen wäre. Zwar habe der Vertrag von Maastricht es geschafft, eine supranationale, weitgehend einheitliche Geldpolitik zu verwirklichen, aber der Euro benötige ein sehr hohes Maß an Vertrauen, da ihm eine dem Dollar vergleichbare politische Flankierung - eine nationale Regierung, eine global ausgerichtete Wirtschafts- und Außenpolitik - fehle. Ein Schritt dazu könne zumindest die einheitliche und gemeinsame Vertretung der Euro-Staaten in internationalen Gremien wie dem Internationalen Währungsfonds (IWF) sein. Bereits in der Anfangsphase der Wirtschafts- und Währungsunion seien die Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts sehr flexibel ausgelegt worden, so dass eine große Währungsunion zu Stande gekommen sei. Mit der Einführung des Euro träfe das fiskalische Defizit (Haushaltsdefizit) eines großen Landes allerdings nicht mehr nur diesen einen Staat, sondern alle Euro-Länder. Das einheitliche Zinsniveau der Europäischen Zentralbank (EZB) habe zur Offenlegung aller Strukturprobleme besonders in Deutschland geführt. Tietmeyer warnte, es wäre "tödlich, den Stabilitäts- und Wachstumspakt aufzugeben. Eine Vertrauen stabilisierende Alternative liegt nicht vor. Es gibt keine Patentlösung." Er forderte dazu auf, man müsse "politisch-institutionelle Lösungen suchen, die tatsächlich von Politikern umgesetzt werden. Ich möchte, dass die europäische Integration weiter nach vorne geht."
Europa müsse im Kern wieder eine Wachstumsdynamik bekommen. Die drei großen Staaten - Deutschland, Frankreich und Italien - sollten ihre Strukturpolitik wachstumsstark und dynamisch machen: So müssten die Sozialversicherungssysteme reformiert werden. Die Agenda 2010 sei ein wichtiger Punkt, allerdings zeige sie keine klare Dynamik, wo es hinginge. Es sei zumindest im Falle Deutschlands eine Illusion, dass man mit Fiskalpolitik (Erhöhung der Staatsausgaben durch Erhöhung der Staatsschulden) die konjunkturelle Situation verbessern könne: "Wer glaubt die Strukturreform machen zu können, wenn er wieder in einer Wachstumsphase ist, der wird lange warten müssen." Auf die Frage, ob er bereit wäre, die Wette einzugehen, dass der Euro in zehn Jahren noch existiere, antwortete Tietmeyer, er würde die Wette eingehen, wäre sich aber nicht über die Höhe des Einsatzes sicher. HintergrundDie Bundesregierung rechnet für das Jahr 2003 mit einem Haushaltsdefizit von 3,8 % und für 2004 mit 3,0 % unter der Voraussetzung von einem Wirtschaftswachstum von 2,0%. Experten gehen allerdings davon aus, dass das Defizit 2003 über 4 % liegen und 2004 nicht unter 3 % fallen wird. Vortrag und Diskussion von Prof. Dr. Hans Tietmeyer, Präsident der Deutschen Bundesbank a. D., Frankfurt am Main und Staatssekretär a. D. beim Panel "Der unvollendete Binnenmarkt. Der Standort Europa im globalen Wettbewerb" am 28.8.2003 auf der SommerAkademie Europa in Kloster Seeon. Die SommerAkademie Europa ist ein gemeinsames Projekt der Bertelsmann
Stiftung und der Heinz
Nixdorf Stiftung in Zusammenarbeit mit dem Centrum für angewandte
Politikforschung. Die SommerAkademie Europa fand dieses Jahr vom 25. bis
zum 29. August 2003 statt und ist damit die fünfte Veranstaltung
seit 1999. Ziel der Initiative ist es, jüngere Nachwuchsführungskräfte
aus Politik, Wirtschaft und Medien in einen europapolitischen Strategiedialog
einzubinden. LinksProjekt "SommerAkademie Europa" AnsprechpartnerRoman Maruhn |