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WamS, 25. Juli 2004

Im Schatten von Delors

Von Miriam Hollstein und Katja Ridderbusch


Brüssel - Der Applaus für den neuen Präsidenten der Europäischen Kommission war groß: "Bilderbuchstart für Romano Prodi" jubelten die Medien. Kurz zuvor hatte ihm das Europaparlament mit sensationellen 392 von 505 Stimmen das Vertrauen ausgesprochen. Das war im Mai 1999. Heute, fünf Jahre später, mag kaum jemand mehr ein gutes Wort über den Italiener verlieren. "Kein Charisma", "zu innenpolitisch orientiert", "eine Fehlbesetzung" - das Urteil der Europa-Experten ist einhellig.

Sein Nachfolger, José Manuel Barroso, startet gedämpfter: als dritte Wahl, nachdem der Belgier Guy Verhofstadt sowie der Brite Chris Patten keine Mehrheit gefunden hatten. Das Europarlament bestätigte ihn murrend, mit einer zwar klaren, aber nicht überwältigenden Mehrheit von 413 von 732 Stimmen; eine Zustimmung von 58 Prozent.

Am Wochenende konnte der Portugiese noch einmal kurz durchatmen: Auf Einladung von Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) war er nach Bayreuth gereist. Dort wird er heute an der Eröffnung der Opernfestspiele teilnehmen. Ab nächster Woche folgt der Kür die Pflicht. Barroso wird eine neue Kommission bestellen. Doch es ist mehr: Er muss beweisen, dass er das Zeug zum Präsidenten hat.

Im Schatten des direkten Vorgängers wird Barroso dabei gewiss nicht stehen, eher in dem von Jacques Delors. Der war zwar bereits von 1985 bis 1994 Chef der Kommission, gilt aber bis heute als der "Superstar" unter den Präsidenten. Als "Glücksfall in der europäischen Geschichte" bezeichnet Ulrike Guérot, Europaexpertin des German Marshall Fund, den Franzosen Delors: "Er war absolut integer, klar, bescheiden." "Er wusste genau, wo er Europa hinbringen wollte", sagt auch Roland Freudenstein von der Konrad-Adenauer-Stiftung. Ein von Delors erarbeitetes Drei-Stufen-Modell war die Grundlage, auf der die Regierungschefs der Europäischen Gemeinschaft die Einführung der Wirtschafts- und Währungsunion beschlossen. "Mit einer schwächeren Figur wäre das nicht gelungen", ist sich Josef Janning vom Centrum für angewandte Politikforschung in München sicher.

Doch die Zeiten haben sich geändert: Während ab Mitte der 80er-Jahre die Mitgliedsstaaten nicht nur einen starken Kommissionspräsidenten akzeptierten, sondern auch tatkräftig unterstützten, sucht man heute nach einem Kommissionschef, der die nationalen Machtspiele nicht zu sehr stört.

"Steherqualitäten" müsse der Präsident daher heute haben, sagt Josef Janning. Er darf sich nicht entmutigen lassen, muss seinen Kurs gegen Widerstände durchhalten können. Und dies aus einer Position relativer Machtlosigkeit. Javier Solana macht vor, wie das geht: Als EU-Chefdiplomat muss er glaubwürdig eine Außenpolitik vertreten, die es als Einheit noch gar nicht gibt. Solana gelingt das Kunststück durch außergewöhnliches Kommunikationstalent und die Fähigkeit, schwierige Gesprächspartner zu "umarmen".

Barroso könnte ähnlich talentiert sein. "Geschmeidig" haben Kommentatoren die Art genannt, wie er das Europarlament auf seine Seite brachte, dem deutschen Anspruch auf einen "Superkommissar" eine Absage erteilte und sich als Atlantiker positionierte, der die lädierten Beziehungen zu den USA wieder verbessern will. Ein paar große Brocken warten auf ihn: die Verhandlungen für den neuen Haushalt, die Integration der neuen Mitglieder, die Notwendigkeit, die Kommission wieder zum effektiven Instrument zu machen und das Verhältnis zum Parlament zu verbessern. Wenn alles gut läuft, wird es Barroso umgekehrt wie Prodi gehen: Aus einer Enttäuschung wird ein geachteter Präsident werden.


   
           
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Aktualisiert am: 26.07.2004   Impressum | Design by [meteme.de]   Seite drucken | Seitenanfang