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Freie
Presse, 10. April 2003
Die UNO und Amerikas Interesse an der Welt Es wäre ein Fiasko für die Vereinigten Staaten, würden
sie den Aufbau des Iraks nicht mit der Völkergemeinschaft planen
- Doch gedrängt werden wollen sie dazu nicht. Berlin. Bagdad ist gefallen - wie jetzt weiter? Seit Wochen ist die politische Diskussion beherrscht von der Frage, was wird, wenn das irakische Regime gestürzt ist. Streitpunkt ist die Rolle der Vereinten Nationen, der UNO. Frankreich forderte eine "bedeutende" Rolle. Aus Deutschland hieß es gestern, die "zentrale Rolle" der UNO dürfe sich nicht auf humanitäre Hilfe beschränken. Die gesamte Nachkriegsordnung "bis hin zur Durchführung von Wahlen" müsse unter das Dach der UNO gestellt werden, mahnte die Parlamentarische Staatssekretärin im Auswärtigen Amt, Kerstin Müller. Aus amerikanischer Sicht freilich wirken diese Forderungen zu diesem Zeitpunkt reichlich befremdlich, wenn nicht absurd. Die Worte des zurückgetretenen Regierungsberaters Richard Perle, wonach UNO und Nato tot seien, klingen noch in den Ohren. Zwar hat George W. Bush der UNO nun eine "vitale Rolle" zugebilligt, doch verriet er nicht, was die UNO nun entscheiden soll. "Amerikaner wollen natürlich jetzt nicht, dass das 'Fell des Bären' schon verteilt wird, noch bevor der Bär richtig erlegt ist. Sie wollen nicht, dass sich andere in Position bringen und schon festlegen, woran die USA gehindert werden müssen", sagt Josef Janning. Er hat mehrere Jahre in Amerika gelebt und ist heute Mitglied der Geschäftsleitung der Bertelsmann Stiftung sowie stellvertretender Direktor des Centrums für angewandte Politikforschung in München. Die amerikanische Position sei verständlich, da die Amerikaner mit den Briten im Kampf gegen Saddam Hussein politisch, militärisch, materiell und menschliche Opfer gebracht haben. "Da kann es Amerika nicht gleichgültig sein, was danach passiert", rechtfertigt Janning Amerikas Haltung, erst einmal selbst bestimmen zu wollen, was im Irak passiert. Insgesamt schwanke Amerikas Einstellung zur UNO mit der Farbe der Regierungen. Unter Bush junior agiere die UN-kritischste Regierung seit den frühen 70er Jahren. "Bush senior war UN-freundlicher." Amerika habe ein "stark instrumentelles Verhältnis" zur Weltorganisation. "Wenn amerikanische Anliegen mit Hilfe der Vereinten Nationen zu erreichen sind, dann kommt Amerika gern auf die Hilfe zurück. Wenn nicht, lässt sich Amerika andere Wege offen", beschreibt Janning. Macht die UNO also nur das, was Amerika will? Aus Sicht von Janning zeigt gerade die Verweigerung des Mandats für einen militärischen Einsatz im Irak, dass Amerika die UNO nicht nach Belieben instrumentalisieren kann. Insofern sei die UNO gestärkt worden. Gleichzeitig sei die Weltorganisation geschwächt, weil nur die UNO im Bewusstsein der Akteure bislang den Einsatz militärischer Mittel mandatieren konnte. Doch die Lösung neuartiger Konflikte, die sich aus weltweit agierendem Terrorismus ergeben und die aus amerikanischer Sicht eine neue Qualität der Bedrohung darstellen, wird an der UNO vorbeigehen. "Insofern ist der Sicherheitsrat ein konservatives, aus Amerikas Sicht ein untaugliches Instrument", sagt Janning. "Amerika wird in ähnlichen Konflikten nicht wieder um Zustimmung bitten." Das bedeutet nach Auffassung von Völkerrechtlern das Ende des Grundsatzes, dass gleiches Recht für alle gilt. Die unkontrollierbare Supermacht - eine Vorstellung, die kaum angenehme Gefühle weckt. Doch nach Ansicht Jannings gibt es mehrere Punkte, aus denen man ableiten kann, dass die Vorherrschaft Amerikas nicht Furcht einflößen muss. Zum ersten streben Systeme, in denen viele Akteure ein unterschiedliches Maß an Macht besitzen, einen Zustand des Gleichgewichtes an. "In der sozialen Geschichte hat sich eine unipolare Ordnung noch nie durchgesetzt." Die anderen Akteure in der Welt wollen nicht, dass es nur ein Macht-Zentrum gibt. Sie sorgen dafür, dass die amerikanische Weltpolitik teuer wird, skizziert der Münchner Politikwissenschaftler, was sich in den vergangenen Monaten bereits abspielte. Zum zweiten sei der Wechsel eine Konstante in Amerikas Politik. Janning gibt etwa George W. Bush nur geringe Chancen auf Wiederwahl, weil Bush - auch aufgrund seiner außenpolitischen Erfolge - die Innenpolitik vernachlässige. Der stete Wechsel an Amerikas Spitze verhindere die konsequente Nutzung des amerikanischen Machtvorsprunges. Drittens stehe das Land auf einer demokratischen Basis, die nicht gefährdet sei. Die amerikanische Demokratie werde eine imperiale Politik verhindern. Die Weltbeherrschungs-Begeisterung halte sich stark in Grenzen. "Amerika ist sich selbst genug", so Jannings Erfahrung. Zudem sei in der US-Bevölkerung so etwas wie Kriegsbegeisterung nicht lange aufrecht zu erhalten. Das zeigt die gesamte Art der Kriegführung. Krieg darf kaum Opfer kosten und muss schnell vorbei sein. Amerika ist nur zu kurzfristigen Engagements bereit und in der Lage. Die lange amerikanische Präsenz in der Bundesrepublik nach dem Zweiten Weltkrieg wertet Janning als Ausnahme, die bedingt war durch die Konfrontation mit der Sowjetunion. Die Deutschen lagen den Amerikanern zudem "ein bisschen am Herzen", weil viele von ihnen ihre Wurzeln in Deutschland haben. Im Gegensatz dazu schlägt das amerikanische Herz ganz und gar nicht für die Iraker, sagt Janning. Um im Irak das aufzubauen, was George W. Bush ein Prosperitätsregime nennt, das auf andere Länder ausstrahlt, brauche es nicht zwei, drei, sondern zehn, zwanzig Jahre. "Da muss etwas von unten aufgebaut werden", meint Janning. "Wahlen bringen erst mal gar nichts. Sie werden von den Feinden der Demokratie benutzt, um sich an die Macht zu bringen", deutet Janning an, wie komplex und langwierig der Aufbau wird. Für Amerika wäre es "ein Fiasko", würde es diese Aufgabe allein angehen." Es liegt im nüchternen Interesse amerikanischer Politik, ein multilaterales Mandat für diesen Aufbau auszuhandeln. Nur gedrängt will Amerika dazu nicht werden, schon gar nicht von Deutschland. |