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Frankfurter Allgemeine Zeitung, 06. Juni 2002 Die Methode Monnet allein reicht nichtVon Klaus Hänsch, Mitglied im Präsidium des EU-Konvents zur Zukunft Europas. Wir werden uns daran gewöhnen müssen, daß die Mitgliedstaaten der Europäischen Union, überhaupt die Nationalstaaten in Europa, keine perfekte Souveränität mehr haben, vor allem deshalb, weil sie im Zuge der gesellschaftlichen und politischen Entwicklung in der Welt den größten Teil ihrer nationalen Souveränität nur noch als Illusion pflegen. Wenn das aber so ist, dann frage ich mich, warum zahlreiche europäische Politiker, von der Illusion der Souveränität geradezu besessen, glauben, daß sie nationale Souveränität ausgerechnet gegen Europa verteidigen müssen. Wenn es schon um nationale Souveränität geht, dann müssen wir diese gegen ganz andere Machtkonstellationen und Entwicklungen absichern. Unterscheiden muß man beim Thema Handlungsfähigkeit. Die einen wollen, daß Europa mehr handelt, also handlungsfähiger wird. Den anderen ist schon zuviel, was Europa alles tun kann und wie handlungsfähig es ist. Die meisten wollen mehr Handlungsfähigkeit für Europa, aber nicht ausgerechnet dort, wo es einen selber betrifft, wo es einen in den eigenen Handlungsfähigkeiten einschränkt. Aber wenn Europa nicht handlungsfähig ist oder seine Handlungsfähigkeit verliert, dann verliert es auch seine demokratische Legitimation. Es wird nicht durch demokratische Legitimation handlungsfähiger, sondern es verliert demokratische Legitimation, wenn wir nicht dafür sorgen, daß es handlungsfähig bleibt oder auf bestimmten Feldern noch wird. Dies hat nicht nur etwas zu tun mit der Erweiterung, von der manche sagen, sie werde die Handlungsfähigkeit Europas schmälern, sondern auch mit dem bereits Erreichten. Was ist denn eigentlich passiert in den letzten zehn Jahren? Wir haben uns eine gemeinsame Währung gegeben. Die wird eine engere, effektivere, verpflichtende Koordination der nationalen Haushalts-, Steuer- und Konjunkturpolitiken erzwingen. Sonst ist die Währung auf die Dauer nicht haltbar. Wir stehen vor der Notwendigkeit eines gemeinsamen Kampfes gegen den Terrorismus und einer gemeinsamen Bekämpfung der transnationalen organisierten Kriminalität. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben sich 1999 entschieden, einen großen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu schaffen. Wir haben seit 2000 eine formalisierte Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik mit einer verteidigungspolitischen Komponente. Damit berührt die Europäische Union die letzten drei der klassischen Souveränitätsrechte der Mitgliedstaaten: das Geld, das Recht und das Militär. Das erfordert einen neuen Zuschnitt von Institutionen und Entscheidungsverfahren in der EU, der nicht allein mit der Verlängerung der Methode Monnet zu erreichen sein wird. In diesem Bereich müssen wir bestimmte Denkverbote, die wir uns in den vergangenen Jahrzehnten selbst auferlegt haben, aufgeben, zum Beispiel in der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. Die EU ist keine Weltmacht, aber sie hat die Verantwortung einer Weltmacht. In ihren gegenwärtigen Entscheidungsstrukturen ist sie nicht in der Lage, dieser Verantwortung nachzukommen. Solange ein Präsident des Europäischen Rates, eine sogenannte Troika der Außenminister, ein Hoher Beauftragter für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, der Kommissionspräsident und ein weiterer Kommissar sich im Feld der Außen- und Sicherheitspolitik gegenseitig auf die Füße treten, so lange ist die Europäische Union außen- und sicherheitspolitisch nicht zu führen. Sie muß aber führbar werden, wenn sie ihrer Verantwortung gerecht werden will und wenn sie nicht eine Quelle von Unsicherheit und Verwirrung in der Welt sein will. Hier sind die Ansätze für eine notwendige Weiterentwicklung und für eine neue institutionelle Balance in der Europäischen Union. Dieser Text beruht auf einer Rede, die auf dem von der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" und dem Deutschland-Radio Berlin zusammen mit dem Centrum für angewandte Politikforschung veranstalteten Forum Fazit: Europa in Berlin gehalten wurde. |