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Frankfurter Allgemeine Zeitung, 05. Juni 2002 Haider sagt Fischer "Sympathien für den Terrorismus" nachFPÖ-Politiker von "Fazit: Europa" ausgeladen / Der Kärntner Landeshauptmann Haider (FPÖ) hat dem deutschen Außenminister Fischer (Grüne) "offene Sympathien für den Terrorismus" nachgesagt. Er wurde am Dienstag morgen von einer europapolitischen Diskussionsveranstaltung in Berlin ausgeladen, welche die Frankfurter Allgemeine Zeitung, das DeutschlandRadio Berlin und das Centrum für angewandte Politikforschung veranstalten. Die Veranstalter begründeten die Absage damit, Haider habe sich auf eine "unakzeptable Weise" über den deutschen Außenminister geäußert. Die geplante sachliche Diskussion über Rechtspopulismus mit Haider sei nach solchen Schmähungen nicht mehr möglich. Der Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Nonnenmacher ließ zu Beginn der Veranstaltung am Dienstag nachmittag keinen Zweifel daran, daß solche Diskussionen gleichwohl notwendig seien. Rechtspopulistische Bewegungen, bei denen die Grenze zum Rechtsextremismus gelegentlich verschwimme, hätten in den letzten Jahren und Monaten große Erfolge errungen. Dieses Phänomen könne nicht dadurch bekämpft werden, daß das Thema verdrängt oder Personen isoliert würden. Fischer sagte nach der Ausladung Haiders seine Teilnahme wieder zu, nachdem er sie zunächst wegen dessen geplanten Auftritts abgesagt hatte. Haider zeigte sich über die Ausladung überrascht. In einem Schreiben seines Büros heißt es, Haiders Aussagen über Fischer seien keine Schmähung, sondern eine "Tatsachenfeststellung". Fischer habe sich stets "als Sympathisant der deutschen RAF-Szene" gesehen. Auch zähle er "als Anführer der ungerechtfertigten EU-Sanktionen zu den notorischen Österreich-Beschimpfern". Die Veranstaltung "Fazit: Europa. Der imperfekte Souverän" dauert zwei Tage und endet an diesem Mittwoch. Zu den Gästen zählen neben Fischer die CDU-Vorsitzende Merkel und der frühere CDU-Vorsitzende Schäuble sowie der spanische Außenminister Piqué und der italienische Europaminister Buttiglione. Piqué sprach sich entschieden für die Erweiterung der Europäischen Union aus. Der spanische Außenminister bezeichnete es als "unrealistisch" zu verlangen, daß die Erweiterung der EU "nicht dem einen oder anderen der gegenwärtigen EU-Partner Kosten aufbürden" werde. Doch bringe die Erweiterung "nach einer Weile" viele Vorteile. Piqué erinnerte an das Prinzip, daß die Erweiterungsverhandlungen auf der "Basis des gegenwärtigen Besitzstandes" stattfinden müßten und "zukünftige Reformen der Gemeinschaftspolitiken" nicht vorwegnehmen dürften. Die Schwierigkeiten, mit denen "im einen oder anderen Moment der Verhandlung der verschiedenen Kapitel" zu rechnen sei, müßten als Anreiz wirken. Der italienische Europaminister Buttiglione sagte, mit den Anschlägen vom 11. September sei wieder ins Bewußtsein gerückt, daß im Zentrum der europäischen Idee der Frieden stehe. Ein gemeinsamer Markt in Europa sei nicht der Zweck, sondern das Hauptmittel der europäischen Integration. (Fortsetzung Seite 2.) Buttiglione sagte, der Gedanke, daß ein souveräner Staat seine Identität besser schützen könne, sei falsch. Die europäischen Staaten könnten ihre Souveränität nur dann bewahren, wenn sie gemeinsam handelten. Er äußerte die Kritik, es gebe zu viele Ministerräte in der EU. Das stifte Unruhe. Der frühere CDU-Vorsitzende Schäuble erhob die Forderung, Europa müsse zu einem "handlungsfähigen Partner" weiterentwickelt werden. Kein Staat in Europa sei - auf sich allein gestellt - in der Lage zu leisten, was früher einmal Souveränität geheißen habe. Schäuble sagte, Europa werde nicht dadurch gestärkt, daß der Einfluß der Regierungen erhöht werde. Wer ein handlungsfähiges Europa wolle, müsse vielmehr den Einfluß der Institutionen stärken, nicht den der Mitgliedsstaaten. Der Europapolitiker Hänsch, Mitglied im Präsidium des EU-Konvents zur Zukunft Europas, forderte wie Schäuble, Europa müsse handlungsfähig bleiben oder werden. Geschehe das nicht, drohe der EU der Verlust "demokratischer Legitimation". Mit der Einführung der gemeinsamen Währung sei es erforderlich geworden, die Haushalts-, Steuer- und Konjunkturpolitik der Mitgliedsstaaten enger zu koordinieren. Mit Blick auf die Finanz-, die Rechts- sowie die Außen- und Sicherheitspolitik sprach Hänsch sich dafür aus, "selbstauferlegte Denkverbote" abzulegen. Die EU sei zwar keine Weltmacht, doch habe sie die Verantwortung einer solchen. Dieser Verantwortung könne sie außenpolitisch in ihrer derzeitigen Struktur nicht nachkommen. Die EU-Kommission benötige eine stärkere politische Legitimation. Diese könne sie dadurch erhalten, daß der Präsident der Kommission durch das Europäische Parlament gewählt werde. Die Europapolitikerin Stuart, die für das britische Parlament im EU-Konvent sitzt, warnte davor, sich bei der Diskussion über die Reformen in Europa zu sehr auf die Institutionen zu konzentrieren. Die Menschen dazu zu bringen, als Europäer zu empfinden, werde so gelingen. Dieser Text beruht auf einer Rede, die auf dem von der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" und dem Deutschland-Radio Berlin zusammen mit dem Centrum für angewandte Politikforschung veranstalteten Forum Fazit: Europa in Berlin gehalten wurde. |