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FAZ vom 24. Oktober 2000

Der institutionelle Rahmen muss Wahlzyklen überdauern

Lehren aus dem Transformationspozess in Mitteleuropa /
EU-Mitgliedschaft als Anker / Eine Tagung

Von Carola Kaps


C.K. BRATISLAWA, 17. Oktober. Die Republik Jugoslawien beginnt erst jetzt mit einem politischen und wirtschaftlichen Transformationsprozess, den ihre mitteleuropäischen Nachbarländer teilweise schon seit 10 Jahren. Abgeschlossen ist die marktwirtschaftliche und demokratische Umwandlung zwar noch in keinem der Länder. Selbst Ungarn hat noch zahlreiche Defizite, kann aber mit Fug und Recht behaupten, dass es bereits die zweite Stufe der Transformation mit nachhaltigem Wachstum, hohem Wettbewerb und einer insgesamt zufriedenstellenden Entwicklung der Fiskalpolitik und der Leistungsbilanz erreicht hat. Auch aus einem nicht abgeschlossenen Umwandlungsprozess lassen sich Lehren ziehen, die dem Nachzügler möglicherweise teureFehler ersparen.

So ist für den ungarischen Wirtschaftswissenschaftler András Inotai ist eine der wichtigsten Grunderkenntnisse der vergangenen zehn Jahre die Notwendigkeit, makro- und mikropolitische Reformen zu harmonisieren. Ohne vernünftige mikroökonomische Reformen könne es keine nachhaltige makroökonomische Stabilisierung geben, sagte er auf einer Konferenz zu den "Lehren nach 10 Jahren Transformationspolitik", einer gemeinsamen Veranstaltung des Münchner Centrums für angewandte Politikforschung und des slowakischen Instituts für Politikwissenschaft in Bratislava (Pressburg). Umgekehrt werde aber auch jede mikroökonomische Reform ohne stabilen makroökonomischen Rahmen scheitern.

Die Verwirklichung dieses Doppelziels sei schwierig und erfordere viel politisches Geschick, weil die strukturpolitische Umwandlung sehr viel mehr Zeit brauche - vor allem wenn sie durch rasch anfallende Kosten sozialer Umwandlung noch zusätzlich kompliziert werde.
Für eine dauerhafte Transformation müßten zudem die psychologischen und sozialen Kosten der marktwirtschaftlichen Umwandlung kontrolliert und abgefedert werden, forderte Inotai. Der Transformationsprozess ist seiner Meinung nach in den meisten Ländern erstaunlich rasch, allerdings mit gewaltigen sozialen Kosten abgelaufen, deren gesellschaftliche und psychologische Auswirkungen erst jetzt mit einiger Verspätung sichtbar werden. Um gefährliche Rückschläge zu vermeiden, müßten die politisch Verantwortlichen jetzt die Öffentlichkeit in glaubwürdiger Weise über die wahren Kosten sowie die relativen Gewinner und Verlierer des Umwandlungsprozesses aufklären. Außerdem gelte es, den Verlierern mit marktgerechten Maßnahmen unter die Arme zu greifen.

Nicht weniger wichtig sei der Aufbau dauerhafter institutioneller Rahmenbedingungen, die die politischen Wahlzyklen überdauerten und die Kontinuität der langwierigen marktwirtschaftlichen Umwandlungprozesse sicherstellten. Unabdingbar sei in diesem Zusammenhang auch der Aufbau einer Bürgergesellschaft und deren aktive Beteiligung an dem Umwandlungsprozeß; nur so könne vermieden werden, dass kurzsichtige Politiker das Thema für kurzlebige politische Erfolge nutzten, in dem sie die Gesellschaft polarisierten, warnt der Direktor des Instituts für Weltwirtschaft in Budapest.

Alle Beteiligten stimmten auf der Konferenz darin überein, dass die Aussicht auf den Beitritt zur Europäischen Union wichtigster Anker für die politische und wirtschaftliche Reformpolitik war und bleibt. Dies gelte gleichermaßen für Jugoslawien. Ebenso deutlich war aber auch die Aussage der Teilnehmer aus Mitteleuropa, daß Brüssel einen festen Zeitplan für den Beitritt festlegen müsse. Je länger sich der Beitritt hinauszögere, desto größer werde die Gefahr, dass knappe Mittel aus Gründen der politischen Stabilisierung in Sozialprogramme statt in Investitionen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und der wirtschaftlichen Effizienz flössen. Europa-Müdigkeit und wachsender Unmut über die hohen Anforderungen des "acquis communautaire" sei überall auf dem Vormarsch.

Vor diesem Hintergrund wirkte die Empfehlung des bekannten amerikanischen Ökonomen Jeffrey Sachs, das Nordamerikanische Freihandelsabkommen (Nafta) als Vorbild für den EU-Beitritt zu nehmen, zumindest auf den ersten Blick verführerisch einfach. Sachs räumte zwar ein, Nafta und EU-Erweiterung seien nicht vergleichbar; gleichwohl lohne sich ein Blick auf das Abkommen zwischen Amerika, Mexiko und Kanada, weil es unkompliziert sei, allen Beteiligten nutze und in Mexiko bemerkenswert erfolgreiche wirtschaftliche und politische Prozesse ausgelöst habe. Dagegen verlaufe der EU-Beitritt viel zu langsam; das Beharren auf unzähligen Details sei ebenso problematisch wie die Überzeugung der Europäer, dass nur sie die Richtung bestimmen können. Von überragender Bedeutung für die EU dürfe nur die rasche politische Einbindung der mittel- und osteuropäischen Länder sein, sagte Sachs auch mit Blick auf Jugoslawien.


 

 
           
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Aktualisiert am: 05.12.2002   Impressum | Design by [meteme.de]   Seite drucken | Seitenanfang